„Vom irdischen zum himmlischen Jerusalem“ – so lautete das Motto einer Pilgerreise unter der Federführung der Komturei St. Hildegard Mainz/Wiesbaden, die ursprünglich für 2020 geplant war und in diesem Jahr endlich stattfinden konnte. Das Motto verweist auf den spirituellen Höhepunkt der Reise: die Feier des Hochfestes Christi Himmelfahrt an dem Ort, von dem aus Christus der Tradition nach zum Vater aufgestiegen ist.

Als dieser Ort gilt ein Stein oben auf dem Ölberg, der den letzten Fußabdruck Jesu zeigt. In der Kreuzfahrerzeit (1152) wurde über diesem Stein eine oktogonale Kapelle errichtet, die allerdings bereits gut 40 Jahre später (1198) durch Saladin in eine Moschee umgewidmet wurde. Zwar kann die Himmelfahrtsmoschee ganzjährig besichtigt werden, aber nur einmal jährlich, am Hochfest Christi Himmelfahrt, steht sie Christen für die Feier von Gottesdiensten zur Verfügung. Damit ist sie weltweit die einzige Moschee, in der christliche Gottesdienste gefeiert werden (dürfen).

Entsprechend war die nächtliche Heilige Messe an diesem Ort für unsere Pilgergruppe ein einmaliges Erlebnis. Wir sind Pater Gregor Geiger OFM, der dies für uns möglich gemacht und die Heilige Messe für uns zelebriert hat, sehr zu Dank verpflichtet. Konzelebrant war der geistliche Leiter unserer Pilgergruppe, Cfr. Pater Martin Wolf OMI. Für diesen besonderen Messort erwies es sich als Segen, dass unsere Pilgergruppe mit 18 Teilnehmern recht klein war. Alle fanden Platz in der Moschee. Wir hätten auch noch die fünf Ritter, Damen und Gäste, die kurzfristig wegen Covid-19 und aus anderen Gründen nicht mitreisen konnten, unterbringen können. Deren Plätze blieben aber nicht leer, sie wurden dankbar von Volontären der Dormitio-Abtei eingenommen.

Die Pilgergruppe setzte sich aus Damen und Rittern der Komtureien St. Hildegard Mainz/Wiesbaden und Pater Maximilian Kolbe Frankfurt am Main, jeweils begleitet von ihrer Leitenden Komturdame Csr. Simone Weinmann-Mang und Ihrem Leitenden Komtur Cfr. Ingo Ley, zusammen. Cfr. Pater Martin Wolf OMI war vor seiner Berufung nach Rom Mitglied der Komturei Hrabanus-Maurus Fulda. Mit dieser Zusammensetzung stärkte die Reise also nicht nur die Gemeinschaft in unserer Komturei, sondern auch über die Komtureigrenzen hinaus.

Fünf Damen und Ritter erhielten aus der Hand seiner Exzellenz Bischof em. Giacinto-Boulos Marcuzzo die Pilgermuscheln. Er vertrat den Lateinischen Patriarchen, Seine Seligkeit Großprior Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, der in Anerkennung seines Einsatzes für Toleranz und ein friedliches Zusammenleben in Jerusalem sowie für die Verteidigung der Heiligen Stätten aus der Hand von König Abdullah II. in Amman/Jordanien einen Verdienstorden verliehen bekam. Bischof Marcuzzo zeigte sich sehr erfreut über einen der ersten Besuche von Grabesrittern seit Beginn der Pandemie.

Das Besichtigungsprogramm war stark auf den theologisch-spirituellen Schwerpunkt der Reise ausgerichtet. Wir setzten uns intensiv nicht nur mit der Himmelfahrt Christi, sondern auch mit der des Elijah und Mohammeds auseinander. Beim Besuch verschiedener Berge – Ölberg, Tabor, Tempelberg, Berg der Bergpredigt – konnten wir erspüren, dass diese sinnfälligen Orte der Gottesnähe sind: auf der Höhe des Berges berühren sich Himmel und Erde – begegnen sich Gott und Mensch. Am Berg Tabor, dem Berg der Verklärung, der in eine Linie zum Sinai und zum Horeb gestellt und mit den Lichtgestalten des Alten Bundes und deren Gottesoffenbarungen verbunden wird, wurde uns klar, dass Jesus der neue Mose, der neue Elija ist. Die renommierte Islamwissenschaftlerin Frau Prof. Dr. Angelika Neuwirth brachte uns bei einer exklusiven Führung über den Tempelberg eindrücklich die unterschiedliche Tempel-Erinnerung in Judentum, Christentum und Islam nahe. Der Besuch des Heiligen Grabes stand selbstverständlich auch auf dem Programm.

Auftakt unseres spirituellen Pilgerweges war eine mehrstündige anspruchsvolle Wanderung in gleißender Sonne durch die Wüste Juda, bei der wir hautnah erleben konnten, warum die Wüste als ein Ort von Grenzerfahrungen gilt. Glücklicherweise sind alle Teilnehmer wohlbehalten ins irdische Jerusalem zurückgekehrt.

Auf dem Programm standen auch vielfältige Begegnungen. So trafen wir die KNA-Korrespondentin Andrea Krogmann, die seit 2009 in Jerusalem lebt, zum Gespräch über die aktuelle politische Situation. Mit Rabbiner Alon Goshen-Gottstein, dem Gründer des Elijah Interfaith Institute in Jerusalem, sprachen wir über den Interreligiösen Dialog und seine Pläne, ein Center of HOPE (House of Prayer and Education) zu errichten, mit dem er seine Vision des neuen Jerusalem (Offb 21) Realität werden lassen will. In Tabgha trafen wir Paul Nordhausen, den Leiter der Behindertenstätte Beit Noah, und erfuhren von der segensreichen Arbeit, die dort getan wird. Nicht zuletzt feierten wir sonntags den Gottesdienst mit der Gemeinde in Reneh bei Nazareth und nahmen anschließend an einem Umtrunk mit Gemeindemitgliedern und dem Ortspfarrer Raed Abusahlia teil.

Auch besondere Wünsche aus dem Teilnehmerkreis waren bei der Planung berücksichtigt worden. So besichtigten wir die farbenfrohen und ausdrucksstarken Chagall-Fenster in der Hadassah-Klinik und schlossen die Reise mit zwei Tagen in Tel Aviv ab. Hier stand neben dem Besuch der Bauhaussiedlung und des Carmel-Marktes auch ein Gang durch Jaffa auf dem Programm. Unvergesslich wird uns das Abschiedsessen im neuen Hafen von Tel Aviv bleiben.

Mit einer Heiligen Messe in der Konkathedrale des Lateinischen Patriarchats hatten wir uns auf den Empfang bei Bischof Marcuzzo eingestimmt. Auch an allen übrigen Tagen feierten wir gemeinsam die Heilige Messe – ob in der Wüste, am See Gennesaret oder in einer Kirche – und beteten ab Christi Himmelfahrt die Pfingstnovene. Mit einer Andacht am Strand von Tel Aviv, in der Cfr. Pater Martin Wolf OMI auch die erworbenen Devotionalien segnete, nahmen wir Abschied, dankten für wundervolle Eindrücke und gemeinschaftsstiftende Erlebnisse, empfingen den Reisesegen und nahmen den Auftrag mit, Zeugen zu sein und, wo auch immer wir hinkommen, mit Begeisterung davon zu erzählen, wovon unsere Herzen nach diesen zehn Tagen so voll sind.

Susanne Zeidler

OESSH Deutsche Statthalterei

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