Ein Bericht der Vorsitzenden Heilig-Land-Kommission, Cornelia Kimberger, vom 11. Oktober 2023, aktualisiert am 17. Oktober 2023
Gräueltaten der Hamas
Seit einigen Tagen beherrschen die Nachrichten aus Israel und Palästina die Schlagzeilen aller Medien. Es begann mit einem plötzlichen Anschlag der Terrorgruppe Hamas auf feiernde Jugendliche auf einem Festivalgelände und auf Dörfer nahe dem dicht besiedelten Gazastreifen. Kämpfern der Hamas gelang am 7.Oktober 2023 in den frühen Morgenstunden die streng bewachte Grenze zu Israel zu überwinden. Babys, Kinder, Frauen, alte Menschen wurden brutal getötet. Menschen wurden misshandelt und in den Gazastreifen verschleppt. Geiseln dienen als Schutzschilde gegen eine mögliche Bodenoffensive des israelischen Militärs. Ministerpräsident Netanyahu erklärte zum ersten Mal seit 50 Jahren, nach dem Yom-Kippur-Krieg, den Kriegszustand. Seit Tagen werden Bomben auf Städte und Dörfer im Süden Israels, auf Tel Aviv und in Richtung Jerusalem abgefeuert. Israelische Bombenangriffe auf Gaza sind die Antwort. Familien und Freunde auf Seiten der Israelis und auf Seiten der Bewohner Gazas beweinen Menschen, die im Bombenhagel gestorben sind. Tausende von Verletzten und traumatisierten Menschen in Israel und Gaza müssen versorgt und behandelt werden.
Heilige Familie in Gaza
Der Priester der Gemeinde Heilige Familie in Gaza Stadt, Fr. Gabriel Romanelli, war gerade in Bethlehem, als ein Krieg begann, von dem niemand weiß, welche Kreise er noch ziehen wird, welche Dimensionen sich daraus entwickeln können. Viele Jahre schon steht die Deutsche Statthalterei des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem mit dem argentinischen Priester in Gaza in Kontakt. Er beteuert beim Chatten seine Freude, dass die Christen in Gaza nicht vergessen sind. Besonders dankbar ist er über die Unterstützung christliche Jugend durch die Damen und Ritter aus Deutschland. Sei es für Aktivitäten rund um das Sommerlager, oder für das Arbeitsbeschaffungsprogramm -jungen Menschen wird dabei geholfen, eine Anstellung zu erhalten und damit auch ihre Familien zu unterstützen.
Gaza im Krieg
Mittlerweile hat das israelische Militär vor dem Gazastreifen Stellung bezogen. Eine Bodenoffensive stehe bevor, wird in den Nachrichten des deutschen Fernsehens berichtet.
Armut in Gaza
40 Kilometer lang und bis zu 14 Kilometer breit ist der Gazastreifen. Es ist das Zuhause von rund 2,3 Millionen Palästinensern und gehört zu den am dichtesten besiedelten Gebieten weltweit. Seit 2006, nach der Machtübernahme der Hamas, ist dieser Küstenstreifen endgültig von Israel abgeriegelt. Die humanitäre und wirtschaftliche Lage ist ausgesprochen schlecht. Das UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten, UNRWA, kümmert sich seit 1949 um die Menschen im Gazastreifen. 1,2 Mio. Flüchtlinge erhalten von dem Flüchtlingshilfswerk Nahrung, medizinische Betreuung und werden in UN-Schulen unterrichtet. Die Arbeitslosigkeit mit bislang 45% ist sehr hoch und damit die Armut allgegenwärtig. Rund die Hälfte der Bevölkerung ist unter 15 Jahre alt. Die Jugendarbeitslosigkeit wird mit 60% angegeben. Es gibt kein sauberes Wasser, die Kläranlagen funktionieren seit langem nicht mehr, da der Strom nur stundenweise zur Verfügung steht. Seit dem 10. Oktober 2023 wurden alle Hilfslieferungen – Energie, Nahrung, Wasser, Medikamente – nach Gaza verboten und die humanitäre Situation spitzt sich dramatisch mehr und mehr zu. Alle Grenzen, auch die nach Ägypten, wurden geschlossen.
Christen in Gaza
Die 1.200 Christen, davon 130 römisch-katholische Christen unter den 2,3 Mio. Einwohnern, haben es nicht leicht, in der muslimisch geprägten Gesellschaft zu leben und zu überleben. In der katholischen Gemeinde betreuen die Mutter Theresa Schwestern Menschen mit sehr schweren Behinderungen. Die zwei Schwestern des Ordens Verbum incarnatum und drei Rosenkranzschwestern helfen bei der Gemeindearbeit, im Kindergarten und in der Schule auf dem Pfarrgelände.
Beten für den Frieden
Am 9. Oktober 2023 schreibt Fr. Romanelli: „… Die Situation ist immer noch sehr schlecht. So etwas haben wir noch nie gesehen. Leider konnte ich noch nicht in die Pfarrei zurückkehren. Ich arbeite von Bethlehem aus, aber es ist nicht dasselbe. Allen Ordensleuten in Gaza geht es gut. In unserer Pfarrei haben wir mehr als 130 Christen. Es gibt Hunderte von Toten und Tausende von Verletzten in der Bevölkerung. Beten wir für den Frieden. Der heilige Johannes Paul II. erinnerte sich an den Satz von Pius XII.: ‚Nichts ist verloren mit dem Frieden, alles kann mit dem Krieg verloren gehen.‘ Wir danken allen für eure Nähe, eure Anteilnahme und eure Gebete. Von hier aus bete und arbeite ich weiterhin hart für unsere katholische Mission in Gaza, zum Wohle aller.“
Krieg als Trauma
Fr. Romanelli steht in der Gemeinde ein Priester zur Seite, der, wie in den schweren Zeiten zuvor, nun zusammen mit den Schwestern und den Gemeindemitgliedern in diesen Tagen in der Kirche betet und Rosenkranzandachten organisiert. „Das Gebet hilft in der Angst“, vertraute er mir vor einiger Zeit an. Im Mai 2021, als Gaza von Israel wegen Provokationen der Hamas mit Bomben angegriffen wurde, schrieb Fr. Romanelli: „Die Bombeneinschläge bringen ein Gefühl der Ohnmacht, noch dazu, weil es keine Luftschutzkeller gibt. Kinder entwickeln Verhaltensstörungen, Krieg ist ein Trauma und Kinder sind zerbrechlich!“
Anruf vom Papst
„Papst Franziskus hat mich vor einigen Minuten angerufen“, so wird in den Vatican News am 10.Oktober 2023 berichtet. Der Papst hat sich erkundigt, wie es den Menschen der Gemeinde geht, hat seine Nähe zu uns ausgedrückt, seine Gebete zugesichert und seinen Segen erteilt. Ich habe ihm für den Aufruf zum Waffenstillstand und gegen jede Gewalt, jeden Terrorismus und jeden Krieg gedankt“, wird Fr. Romanelli zitiert.
Brot und Wasser rar
Am 11. Oktober 2023 schreibt mir Fr. Romanelli: „Die Christen wohnen verstreut in Gaza Stadt. Bisher ist noch keiner von ihnen zu Schaden gekommen. Zum Glück stehen unsere drei Schulen noch (Anmerkung: zusätzlich zur Schule auf dem Gemeindegelände gibt es noch eine Jungenschule und eine Mädchenschule. Letztere geleitet von den Rosenkranzschwestern). Bei uns auf dem Gemeindegelände und in der Schule sind heute Nacht insgesamt 608 Flüchtlinge untergebracht. Sie haben sich vor den Bombardierungen zu uns geflüchtet oder haben bereits ihre Häuser verloren. Wasser und Nahrung sind fast aufgebraucht. Wir benötigen dringend Unterstützung. Ich bin sehr müde und habe in den vergangenen Tagen fast nicht geschlafen…“
Am 13. Oktober 2023 steht in seiner an uns Nachricht: „Alle Christen bleiben da, (Anmerkung: das Gemeindegelände befindet sich im nördlichen Teil Gazas) auf unserem Gemeindegelände. Nur Gott weiß, was passieren wir. Betet!“
Am 14. Oktober 2023 steht in den Vatikan News: „…Fr. Romanelli erhielt diesen Samstag einen Telefonanruf des Papstes – den vierten seit Beginn der Krise-, in dem er seine Gebete und die Nähe der gesamten Kirche versicherte. „Er ist den Menschen sehr nahe“, bezeugt Fr. Romanelli.
Am 15. Oktober 2023 dann ein kleines Licht in dunkler Zeit – „heute wurde ein Baby, der kleine Daniel, im Gottesdienst getauft“, schreibt mir der Priester der Gemeinde Heilige Familie in einer Nachricht.
Ein starkes Signal Seiner Seligkeit Patriarch Pierbattista Kardinal Pizzaballa
Seine Seligkeit Patriarch Pierbattista Kardinal Pizzaballa hat sich am 16. Oktober 2023 in Jerusalem als Austausch gegen Geiseln der Hamas angeboten. „Wenn auf diesem Weg Kinder freikommen, wäre ich dabei“, antwortete der Lateinische Patriarch von Jerusalem gegenüber Vatikan News.
Friedensgebet
In einer Veröffentlichung des Lateinischen Patriarchats vom 17. Oktober 2023 wird ein Ende der Gewalt gefordert und um ein weises Vorgehen aller Verantwortlichen, das zur Deeskalation der Gewalt führen möge. Seine Seligkeit Patriarch Pierbattista Kardinal Pizzaballa lädt für den heutigen Tag zu Gebet und Fasten in allen Gemeinden im Heiligen Land: „Denn er ist nicht der Gott der Unordnung, sondern des Friedens“ (1 Kor. 14,33).“
Das Gebet ist nicht nur heute, es ist an allen Tagen nötig und, so vertrauen wir, wirksam.
Fürth, 11./17.10.2023 Cornelia Kimberger