„Katholisch im eigentlichen Sinn bedeutet für mich, Menschen zusammenzuführen“, erklärt Csr. Dr. Viktoria Gulya. Die gebürtige Ungarin, in Budapest geboren und aufgewachsen, zog 1977 mit ihrem Mann, unserem verstorbenen Cfr. Prof. Janos Gulya, nach Göttingen, weil er einem Ruf als Institutsdirektor an die Georg-August-Universität Göttingen gefolgt ist. Csr. Dr. Viktoria Gulya lehrt als Russischdozentin am Osteuropa-Lehrstuhl der Göttinger Universität und betreut Internationale Bildungsprojekte. Nebenher engagiert sie sich bei den Lions als UN-Beauftragte, und auch im Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem sind ihr internationale Kontakte ein Herzensanliegen. Während der Investituren in München und Köln lernte sie Vertreter der ungarischen und der österreichischen Statthaltereien kennen, und es entstand die Idee, gemeinsam mit ihrer Heimatkomturei St. Oliver Hildesheim Ordensgeschwister in Österreich und in Ungarn zu besuchen und neue Kontakte zu knüpfen. „Ich möchte zeigen, dass wir nicht nur eine kleine Gemeinschaft vor Ort sind, sondern dass wir Ordensgeschwister überall in Europa und sogar weltweit haben“, erläutert sie.

Was lag näher, als die geplanten Besuche mit einer Fluss-Pilgerfahrt auf der Donau zwischen Passau und Budapest zu verbinden? Die Idee fand großen Anklang, Csr. Dr. Viktoria Gulya organisierte persönliche Begegnungen, und schließlich schifften sich in Passau 22 Ordensmitglieder mit Angehörigen und Freunden ein.

Wien

In Wien erwartete uns die Leitende Komturdame Csr. Prof. Mag. Gabriele Dernesch mit einer Delegation der Wiener Komturei bereits vor dem Stephansdom, begrüßte uns herzlich und lud uns zur Führung durch den Stephansdom mit ihrem Kollegen Dr. Johann Hisch ein, Theologe und Religionspädagoge in Wien mit einem Schwerpunkt in der religionspädagogischen Erschließung des Stephansdomes. Er erschloss uns die in den Baumassen des Doms versteckte Zahlensymbolik und die sich aus Lage, Orientierung und Achsknick ergebende Vorstellung, der Jerusalemer Tempel befinde sich mitten in Wien.

Beim Mittagessen in der Gösser Bierklinik, die 1406 erstmals urkundlich erwähnt wurde und damit eines der ältesten Gasthäuser Wiens ist, wurde die Gelegenheit zum näheren Kennenlernen und zum Austausch genutzt, und es entwickelten sich schnell angeregte Gespräche.

Budapest

Am nächsten Tag trafen wir mit den ungarischen Ordensgeschwistern in der Budapester Hermina-Kapelle zusammen. Zunächst stellte Cfr. Olivér Farkas, Kanzler der ungarischen Statthalterei, die Geschichte der monumentalen Hermina-Kapelle und die Aktivitäten des Ordens in Ungarn vor. Die Weihe der Kapelle fand im Jahr 1856 statt, die musikalische Gestaltung der Feier lag bei Franz Liszt. Seit 2004, als Kardinal Péter Erdő die Kapelle dem ungarischen Vikar des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem anvertraute, wird sie als „Ritterkirche“ bezeichnet.

Gemeinsam mit den ungarischen Ordensgeschwistern feierten wir dann das Fest „Verklärung des Herrn“ in der Hermina- Kapelle. Uns zuliebe zelebrierte Mihály Kránitz, Theologe und Universitätsprofessor, in lateinischer Sprache und predigte auf Deutsch und Ungarisch. Er gab zu bedenken, dass auch Verblendung und Verdrängung eine Verklärung alter Zeiten verursachen könnten und zitierte aus dem aus dem Gotteslob bekannten Gebet von Peter Gerloff:

„Herr nimm auch uns zum Tabor mit, um uns dein Licht zu zeigen! Lass unsre Hoffnung Schritt für Schritt mit dir zu Gott aufsteigen. Lass leuchten deine Herrlichkeit, von der die Seher künden! Mach uns für Gottes Reich bereit, wo alle Mühen münden. Dann geh mit uns vom Berg hinab ins Tal der Alltagssorgen
und sei uns Weg und Wanderstab durchs Kreuz zum Ostermorgen.“

Parlament Budapest (c) oessh.net / A. Weinhold-Klotzbach

Der anschließende Empfang bot – bei von den ungarischen Ordensgeschwistern angebotenen Häppchen und geistigen Getränken – die Gelegenheit zum gegenseitigen Kennenlernen, und schnell entwickelten sich angeregte Gespräche. Cfr. Prof. Michael Brandt, Leitender Komtur der Komturei St. Oliver Hildesheim, bedankte sich im Namen aller für den herzlichen Empfang und die Gastfreundschaft und lud die ungarischen Gastgeber (wie zuvor schon die Wiener Komturei) zu einem Gegenbesuch – insbesondere zur Herbstinvestitur 2025 in Hildesheim – ein. Márk Aurél Érszegi, Sekretär der ungarischen Statthalterei, begleitete unsere Gruppe auch beim abendlichen Besuch der Matthiaskirche und der Fischerbastei. Er bemerkte, dass die meisten Mitglieder der Gruppe Ungarn zum ersten Mal in ihrem Leben besuchten und alle Informationen und Erfahrungen mit großem Interesse aufnahmen. Persönliche Erfahrungen könnten, so hoffte er, sicherlich dazu beitragen, ein realistischeres Bild des Landes zu zeichnen, als es in ausländischen Zeitungen vermittelt werde.

Fischerbastei mit Matthiaskirche (c) oessh.net / A. Weinhold-Klotzbach

Ein besonderer Wunsch der Gruppe war, das Grab unseres 2017 verstorbenen Confraters Prof. Dr. Janos Gulya zu besuchen. „Ich bringe deine Ordensgeschwister zu dir“, hatte Csr. Viktoria ihm versprochen und so versammelte sich die Gruppe in der St.-Gellert-Kirche, wo unser Prior Cfr. Pfr. Christoph Lindner eine bewegende Andacht für Janos und die verstorbenen Angehörigen aller Anwesenden hielt.

Esztergom

Kathedrale Esztergom (c) oessh.net/A. Andrea Weinhold-Klotzbach

Am nächsten Tag besuchten wir die Basilika in Esztergom und hörten aus dem Mahnschreiben des Hl. Stephan von Ungarn, des ersten christlichen Königs Ungarns, an seinen Sohn:

„Sei stark, damit das Glück dich nicht übermütig und das Unglück nicht niedergeschlagen macht. Sei demütig, damit Gott dich erhöht, jetzt und in Zukunft. Sei maßvoll, strafe und verurteile nicht maßlos. Sei milde, damit du niemals der Gerechtigkeit widerstreitest.  (…) Wenn du das Schild des Glaubens behältst, besitzt du auch den Helm des Heils. Denn mit diesen Waffen wirst du recht gegen die unsichtbaren und sichtbaren Feinde kämpfen können. (…)
Es bringt Nutzen Gäste und Fremde [aufzunehmen]. … Denn ein Reich, das nur eine Sprache, eine Sitte kennt, ist schwach und kraftlos. Darum weise ich dich, mein Sohn, an, für sie mit gutem Willen zu sorgen und sie in Ehren zu halten, damit sie lieber bei dir verweilen, als dass sie sich anderswo niederlassen.“

(Quelle: Stephan von Ungarn: Monita ad filium, c. 1.2.10. In: Patrologia Latina 151, Sp. 1235 – 1244; eigene Übersetzung zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB, Benediktinerabtei Schäftlarn, für die Katholische SonntagsZeitung)

Diese Gedanken des Hl. Stephan – 1000 Jahre alt und immer noch aktuell – begleiteten uns in die Sakristei der Basilika. Hier durften wir uns mit Köstlichkeiten aus dem Prímás-Keller stärken, bevor wir auf das Schiff zurückkehrten.

Die letzte Etappe der Reise führte uns nach Bratislava und zum Kloster Melk.

Bratislava

Gruppenfoto Bratislava (c) oessh.net / A. Weinhold-Klotzbach

In Bratislava zeigte uns P. Timo Masar SJ in erster Linie die Spuren der Jesuiten in der Stadt. Nach einer Andacht in der Jesuitenkirche besuchten wir die Burg Bratislava und bummelten durch die Altstadt.

Melk

Im Kloster Melk, einem der schönsten und größten einheitlichen Barockensembles Europas, besichtigten wir die Stiftsbibliothek mit einer Sonderausstellung zum Thema „Demokratische Aufbrüche im Zeitalter des Absolutismus? Eine Kontroverse zwischen Bernhard Pez und Abt Berthold Dietmayr im Jahr 1723“. Im Anschluss gedachten wir in der Stiftskirche der Hl. Edith Stein und verabschiedeten uns mit dem Lied „Kommt und singt ein Lied der Freude, ihr habt Grund zur Dankbarkeit“. 

Dank an Viktoria (c) oessh.net /A. Weinhold-Klotzbach

Ein letzter Abend auf dem Schiff bei lebhaftem Austausch und schönen Erinnerungen ließ uns Dank sagen: Der persönliche Austausch in unserer Ordensgemeinschaft und über Ländergrenzen hinweg hat uns alle bereichert. Mit wunderbaren Erinnerungen sind wir nach Hause zurückgekehrt. Unser Dank gilt unserer Csr. Viktoria, die diese interessante Reise organisiert und viele besondere Begegnungen ermöglicht hat.

OESSH Deutsche Statthalterei

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