Exegese als Impuls
Gefallen – erlöst: Zwei Worte, die es „in sich“ haben. Zwei Worte, die nicht nur als Kurzformel der Passionszeit – Leiden und Auferstehung – gesehen, sondern auch als Zusammenfassung der biblischen Heilsgeschichte und somit der Beziehung zwischen Gott und uns Menschen betrachtet werden können. Zwei Worte, die als Thema des Einkehrtages der Provinz Rhein-Main gleichzeitig auch Programm sind: Zwei Referenten, die in der vorösterlichen Bußzeit auf völlig unterschiedliche Weise den Blick auf das Wesentliche lenken – das WORT.
Ein abschließendes Statement eines Confraters nach den Vorträgen beschrieb diese als „Feuerwerk von Gedanken, für die 40 Tage nicht ausreichen“, um sich auch nur annähernd ausreichend mit ihnen auseinanderzusetzen. Eine Meinung, die viele der Anwesenden teilten und die Idee einer Verschriftlichung wachrief, um eine weiterführende Betrachtung zu ermöglichen. Der nachfolgende Beitrag erhebt keinen Anspruch auf vollständige Dokumentation, sondern ist als Impulsgeber gedacht, der einige der vielen Aspekte der beiden Vorträge aufgreift und zum „Weiterdenken“ einladen soll. Gleichzeitig darf er als „Werbung“ für Ordensveranstaltungen wie Einkehr- und Provinztage verstanden werden, deren Teilnehmerquote bisweilen durchaus ausbaufähig ist.
Verborgene Schätze im „Wortrauschen“
Den allesamt durchaus als bibelfest zu bezeichnenden Anwesenden führten die Referenten eindrucksvoll vor Augen, dass aus der Liturgie vertraute Textstellen oft zu „Wortrauschen“ führen: Man erkennt den Text, erfasst die Primäraussage und hakt das Ganze ab nach dem Motto: Ja, schon mal gehört, kenn ich, weiß ich… In diesen Texten existiert in der Regel aber auch eine „zweite Ebene“, die für die „ursprünglichen“ Adressaten, also die Leserschaft im Zeitumfeld des Autors, leicht zu identifizieren war. Der „heutigen“ Leserschaft ist diese „zweite Informationsebene“ dagegen zunächst nur schwer zugänglich, naturgemäß gibt es zum einen „Verluste“ bei der Übersetzung, zum anderen verstellen die unterschiedlichen Lebenssituationen den Blick auf das, was den „nativen“ Lesern offensichtlich war.
Es ist ein Geschenk, dass sich in den Reihen unserer Ordensmitglieder zahlreiche Mitglieder finden, die in der Lage sind, verborgene Schätze im Wortrauschen freizulegen.
Losgekauft mit teurem Blut – Cfr. Prof. Dr. theol. habil. Christoph G. Müller
Unter dem Titel „Losgekauft mit teurem Blut – Österliche Ermutigungen zu einem neuen Wandel anhand des ersten Petrusbriefs“ stand der Vortrag unseres ehemaligen Geistlichen Zeremoniars der deutschen Statthalterei, Cfr. Prof. Dr. Christoph G. Müller, Professor für Neutestamentliche Exegese, Neutestamentliche Einleitungswissenschaften und Bibelgriechisch an der Theologischen Fakultät Fulda und am Katholischen Seminar Marburg. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist der erste Petrusbrief, zu dem Anfang 2023 eine vielbeachtete Neubearbeitung in der Buchreihe des Evangelisch-Katholischen Kommentars zum Neuen Testament erschienen ist.
Erkenntnisse aus dem 1. Petrusbrief:
Die Existenz in einer Minderheiten-Situation ist nicht frustrierend! Fremdsein ist die Kehrseite der Erwählung und ruft dazu auf, (auch) in gesellschaftlichen Enklaven einen authentischen Lebenswandel zu führen und Gesprächsfäden mit dem Umfeld aufzunehmen, um in den Fußspuren Christi auf Gottes Zukunft zuzugehen.
Salva me, fons pietatis – Cfr. Dr. Georg Müller
Aus der Liturgie stammen die Texte, die der Prior der Ordensprovinz, Cfr. Dr. Georg Müller, als Basis für seinen Vortrag „Salva me, fons pietatis! – Die Hoffnung auf Auferstehung im Gebet der Kirche“ zugrunde gelegt hat, der einen christlich-österlichen Blick auf den Menschen lenken soll. Cfr. Georg Müller, seit 2019 Offizial des Bistums Speyer und seit 2022 Mitglied des Speyrer Domkapitels, promovierte in Trier mit einer Arbeit über den englischen Kardinal und Theologen John Henry Newman.
Lehre der Apostel
Cfr. Georg Müller verweist gleich zu Beginn seines Vortrags auf die „neue alte“ Situation der christlichen Kirche, die noch bis vor kurzen als gesellschaftliche Mehrheit tonangebend gewesen sei, sich nun aber (wieder) in einer – sowohl für Bistumsleitungen als auch für die Gemeindebasis – noch ungewohnten Minderheitensituation wiederfinde. Gleichwohl empfindet Müller diese neue Ausgangslage nicht per se als negativ, sondern als positive Chance, sich „auf die Wurzeln“ zurückzubesinnen und neu auszurichten. Gerade unter diesem Aspekt sei die österliche Hoffnung, die in der Liturgie der Kirche ihren Ausdruck finde, zugleich Trost wie Aufforderung, sich auf das biblische Zeugnis von Kreuz und Auferstehung der „apostolischen Kirche“ – namentlich der ursprünglichen Auferstehungszeugen –zu berufen.