Schmelztiegel der Kulturen

In der ersten Woche der bayerischen Pfingstferien haben sich 28 Damen und Ritter mit ihren Angehörigen auf die Spuren des Hl. Paulus und des Hl. Barnabas, den sich die Zyprioten als Nationalheiligen auserkoren haben, begeben. Die Sonneninsel im Mittelmeer wird in den diversen Reiselektüren als Schmelztiegel der Kulturen bezeichnet. Von Franz von Assisi wird angenommen, dass er seine Reise ins Heilige Land über Zypern angetreten hat. Seit Gründung des Franziskanerordens ist der Orden auf Zypern ansässig. Daher feiern die Ordenspilger auf Zypern in den Kirchen der Franziskaner auch ihre Gottesdienste.

Überraschung gleich zu Beginn

„Ich hoffe, dass Ihr Besuch hier in Zypern der erste von vielen war“, schreibt S. E. Weihbischof Bruno Varriano, der Patriarchalvikar von Zypern, in einer Nachricht an die Vorsitzende der Heilig-Land-Kommission der Deutschen Statthalterei am Dreifaltigkeitssonntag, als die 28 Damen und Ritter der Deutschen Statthalterei wieder ins Flugzeug zurück nach Deutschland steigen. Eine Woche zuvor, am Pfingstsonntag, empfing der Weihbischof höchstpersönlich alle Pilger am Flughafen in Paphos, zusammen mit dem Gemeindepriester aus Paphos, dem Franziskanerpater Fr. Ibrahim. Die Überraschung ist dem Bischof gelungen!

(c) oessh.net / Csr. Cornelia Kimberger

Die Christen gehören zum Lateinischen Patriarchat

Für eine Woche reisen Damen und Ritter aus Nürnberg, Eichstätt, Mainz und Mannheim in den sonnigen Süden. Ebenso dabei ist der Präsident der Ordensprovinz Bayern, Cfr. Hermann Rieder, zusammen mit seiner Ehefrau Monika, die Vorsitzende der Heilig-Land–Kommission, Csr. Cornelia Kimberger, der Nürnberger Prior Pfarrer Reinhold Seidl als geistlicher Begleiter und Angehörige. Die Reise ist von langer Hand geplant, und Seine Seligkeit Patriarch Pierbattista Kardinal Pizzaballa freute sich, als er bereits vor zwei Jahren erfuhr, dass Mitglieder der Deutschen Statthalterei sich vor Ort über die Situation der Christen auf der Mittelmeerinsel erkundigen möchten. „Die Christen auf Zypern gehören zu uns. Die Herausforderungen sind groß: Es gibt immer noch tiefe Verletzungen durch die Teilung der Insel. Zudem müssen wir uns dort um die Nöte der Arbeitsmigranten und Flüchtlinge kümmern.“, so der Patriarch zu Ostern 2024.

Teilung in Nord und Süd

Zum Lateinischen Patriarchat gehört als sechstes Glied neben den Vikariaten in Jerusalem, Israel, Palästina und Jordanien, dem Vikariat für Migranten und Asylanten und dem Vikariat der hebräisch sprechenden Gemeinden das Vikariat Zypern. Die Präsenz der lateinischen Katholiken in Zypern ist seit 1192 ununterbrochen, also seit fast tausend Jahren. Der erste lateinische Erzbischof trat bereits im Jahr 1196 sein Amt in Nikosia an. Damals waren rund 20% der Einwohner der Mittelmeerinsel Lateiner, darunter viele Ordensgemeinschaften. Diese Blütezeit des Christentums endete abrupt, als die Osmanen im 16. Jahrhundert die Herrschaft über die Insel übernahmen. Unter anderem gelang es dem Franziskanerorden in dieser Zeit, wie auch im gesamten Heiligen Land, die Stellung und die christliche Präsenz zu halten. Im 17. Jahrundert zog es bereits viele europäische Bankiers, Händler und Kaufleute auf die Insel. Eine erste Terra Santa Schule wurde gegründet. Unter dem englischen Mandat entwickelte sich die Lateinische Kirche weiter, und auch nach der Unabhängigkeit im Jahr 1960 konnte sie wachsen. Die römisch-katholische Gemeinschaft wurde als religiöse Gruppe durch den Staat anerkannt, und ein gewählter Vertreter sitzt im zypriotischen Parlament. Nach der türkischen Invasion 1974 wurden viele lateinische Christen aus dem Norden der Insel vertrieben und kamen in den Süden.

St. Paul in Paphos

Seit 1847 ist ein lateinischer Patriarchalvikar in Zypern präsent, der dem Lateinischen Patriarchat von Jerusalem zugeordnet ist. Vier katholische Pfarreien gibt es auf der Insel. Zum Patriarchat gehört die Pfarrei St. Paul in Paphos. Die Franziskaner verwalten die Pfarreien in Limassol, in Larnaka und Nikosia. S. E. Weihbischof Bruno Varriano, als Patriarchalvikar, wird von elf Priestern unterstützt, die sich um die Kirchen und Kapellen kümmern.

Neuer Bischof auf Zypern

S. E. Weihbischof Bruno Varriano ist noch nicht lange Weihbischof. Im März 2024 weihte der Patriarch, Seine Seligkeit Pierbattista Kardinal Pizzaballa, den 53-jährigen Franziskaner in Nikosia. Der letzte lateinische Bischof verstarb vor 340 Jahren. Eine neue Ära beginnt für die lateinische Kirche auf der kleinen Insel im Mittelmeer. Denn in den letzten Jahren sind auf der Insel Zypern neue pastorale Herausforderungen entstanden. Dies erfordert eine immer stärkere kirchliche Präsenz. Der Patriarch wünscht sich einen anderen und mutigeren pastoralen Dienst, „der sich auf alle Gläubigen erstreckt, die über unser Gebiet verstreut sind und sich oft in sehr verletzlichen sozialen Situationen befinden. Hier, wie im gesamten Gebiet des lateinischen Patriachats, wird die Gemeinschaft immer pluraler und setzt sich aus gläubigen Menschen verschiedener Kulturen und Sprachen zusammen. Die sozialen und politischen Situationen werden immer komplexer“, stellte der Patriarch bei der Bischofsweihe fest.

Renoviertes Vikariat

Eigentlich hat dem Franziskanermönch und jetzigem Weihbischof seine Aufgabe in Israel sehr gut gefallen. Er war von 2013 bis 2022 zuständig für die Basilika der Verkündigung in Nazareth und Seelsorger. Dies berichtet er den Pilgern bei einem Treffen im Lateinischen Vikariat in Nikosia, welches sich genau an der Demarkationsline befindet. Schaut man vom Dach des frisch renovierten und von S. E. Weihbischof Bruno Varriano gestalteten Hauses auf der einen Seite hinunter, sieht man auf das rege Treiben im türkisch besetzten Teil der Hauptstadt. Doch der Patriarch habe anderes mit ihm vorgehabt, erzählt er mit einem Lächeln. So wurde er im August 2022 Patriarchalvikar für Zypern und im Januar 2024 offiziell zum Weihbischof proklamiert. „Ich durfte mich hier auf Zypern zwei Jahre lang einleben und die christliche Gemeinschaft, die ich als Familie bezeichne, kennenlernen“, so der Weihbischof. „Im Unterschied zu den Bischöfen vor 400 Jahren, als die Venezianer hier das Sagen hatten, bin ich ein Bischof, der den hier lebenden Christen nicht aufgezwungen wurde.“

Kraft durch die Heilige Messe

Er erzählt von den Arbeitern und Studenten aus Afrika im Norden Zyperns, für die auch die Priester des Vikariats zuständig sind. Am Sonntag werden im von der Türkei annektierten Norden Gottesdienste gefeiert, die sehr gut besucht sind. S. E. Weihbischof Bruno Varriano führt aus: „Unter der Woche bleibt für die Arbeiter, aber auch die Studenten keine Zeit, um in die Kirche zu gehen. Die Menschen schöpfen Kraft in den Heiligen Messen und dem Zusammensein mit ihren christlichen Glaubensgeschwistern in einem immer mehr muslimisch geprägten Norden.“

Einwanderer aus aller Welt

Etwas einfacher haben es die Christen im Süden der Insel, wenn es um ihren christlichen Glauben geht. In den Pfarreien werden Gottesdienste in verschiedenen Sprachen angeboten. Nicht nur Arbeitsmigranten aus asiatischen Ländern und Flüchtlinge aus dem Nahen Osten feiern auch werktags Gottesdienste, sondern in den letzten Jahren auch christliche Einwanderer aus Europa. Er weiß zudem von vielen Ukrainern und Russen, die regelmäßig die Heilige Messe besuchen. So glaubt S. E. Weihbischof Bruno Varriano, dass es deutlich mehr als 50.000 Katholiken gibt. „Viele Erwachsene bitten um die Taufe in der katholischen Kirche, auch orthodoxe Christen. Ich bin viel unter den Menschen, im Krankenhaus, auf den Straßen. Ich feiere zahlreiche über die Insel verteilte Gottesdienste und bin für die Kinder da.“ Weihbischof Bruno beklagt die niedrigen Löhne der Arbeitsmigranten auf der Insel, die auch für Touristen nicht gerade günstig ist. Er berichtet: „Für 40 Stunden harte Arbeit erhalten sie rund 400 Euro“. Er erzählt von Menschen, die Hunger leiden. Aus diesem Grunde gibt es in Limassol eine Küche, die für alle Bedürftigen Essen ausgibt. Eigentlich hätte er Anspruch auf drei Personenschützer. Der Nuntius habe gesagt, es sei gefährlich, ohne Schutz als Bischof zu leben. Doch der Weihbischof lehnt dies ab. Es geht ihm um die Menschen und immer wieder fällt der Satz aus dem Matthäus-Evangelium: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“, Dann erzählt er von einem jungen Mann aus Afrika, der über die Grüne Linie aus dem Nordteil Zyperns in Nikosia gestrandet ist. „Ich habe ihn immer wieder animiert, Englisch zu lernen, damit er, wenn er eine Einreiseerlaubnis für Italien bekommt, dort in der Gesellschaft zurecht kommt und die Chance hat, einen Beruf zu erlernen“, so S. E. Weihbischof Bruno Varriano. Er wollte, so die Ausführungen, zunächst bei keiner weiblichen Lehrkraft den Sprachunterricht besuchen. Er musste lernen, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind. S. E. Weihbischof Bruno Varriano, der an der Salesianer Universität in Rom Psychologie studiert hat, liegen vor allem die Armen und Bedürftigen am Herzen. 

Migranten im Minor House

So besuchten die Damen und Ritter auch das ´Minor House´, welches gleich neben dem Vikariat gelegen ist. Früher war das Gebäude einmal eine Schule und ist im Besitz des Ordens der ´Schwestern des Heiligen Josef von der Erscheinung´. Schwester Ramona ist die Ansprechpartnerin des Vikariats und erklärt die wertvolle Arbeit der Josephs-Schwestern mit den Migranten. „Sie hörten davon, dass es bei uns etwas zu essen gibt und klopften an unsere Türe. Wir gaben ihnen Reis, und sie blieben bei uns: Junge Männer, die auf Flüchtlingsbooten in den Norden Zyperns geflohen sind und es über die `Grüne Linie´ in den Süden bis nach Nikosia geschafft haben“, so Schwester Roschni. Sie ist eine Nonne, deren Heimat Myanmar ist. So erzählt sie lebhaft von ihrer schwierigen Aufgabe: „Es sind junge Männer aus Afrika – zumeist Muslime -, und sie nutzen die Chance bei uns. Wir müssen ihnen zunächst die europäischen Umgangsformen beibringen.“ Das beinhalte auch Tischmanieren und Körperhygiene und, ganz wichtig, das Erlernen der englischen Sprache, damit sie auf dem Arbeitsmarkt in Europa überhaupt eine Möglichkeit haben. „Mit Hilfe der christlichen Gemeinschaft St. Egidio bekommen die jungen Männer die Genehmigung, in europäische Länder einzureisen.“ Ein junger sechzehnjähriger Somalier erzählt der Pilgergruppe, dass er geflohen sei, weil er sonst zum Militärdienst zwangsverpflichtet worden wäre. Er hoffe darauf, dass er sich eines Tages in Schweden eine Existenz aufbauen könne. Ein paar Tage vor dem Pilgerbesuch sind acht junge Männer nach Italien ausgereist und Schwester Roschni ist sich sicher, dass sie „Fuß fassen werden, nach ihrer ‚guten Erziehung‘, die sie ihnen in Zusammenarbeit mit Erziehern hat angedeihen lassen. Bei seinem Zypernbesuch im Jahr 2021 hat Papst Franziskus betont, dass sich auch die Kirchen unbedingt der Flüchtlinge auf der Insel annehmen müssen.

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Lebendige Gemeinschaft

Den Pfingstgottesdienst feierten die Damen und Ritter in der St. Paul-Kirche in Paphos, wo schon im Juni 2010 Papst Benedikt XVI. eine Andacht hielt. Bei seinem Aufenthalt in Zypern ging es ihm um einen Dialog mit der orthodoxen Kirche und um eine friedliche politische Einigung im Zypernkonflikt. „Lasst uns unsere Anstrengungen verdoppeln, einen wirklichen und dauerhaften Frieden für alle Völker in dieser Region zu bauen“, formulierte Papst Benedikt XVI. auf seiner Reise vor 14 Jahren vorsichtig. Dieser Wunsch des Papstes ist seither nicht in Erfüllung gegangen. „Wir sind eine lebendige katholische Gemeinschaft, von Menschen aus allen Gesellschaftsschichten und vielen Ländern“, erklärt Fr. Ibrahim den Damen und Rittern. Besonders stolz ist er auf `seine` Jugendgruppe, die sich regelmäßig trifft.

Behindertentagesbetreuung in Nikosia

Zusammen mit S. E. Weihbischof Bruno Varriano besuchten die deutschen Pilger ein Behindertenzentrum in Nikosia, das sich auf Tagesbetreuung spezialisiert hat. Die Anfänge sind auf das ehrenamtliche Engagement einer zypriotischen Dame, die sich um Behinderte gekümmert hat, zurückzuführen. Mittlerweile bekommt sie von der Regierung und auch von der katholischen Kirche finanzielle Unterstützung für Ihre so wichtige Aufgabe. 60 bis 80 behinderte junge Menschen werden dort liebevoll jeden Tag betreut und vor allem auch gefördert. Die Ärzte aus der Reihe der Pilgergruppe waren von der Behinderteneinrichtung überzeugt, da sie auf modernen Standard ausgerichtet und mit genügend Fachpersonal ausgestattet ist.

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St. Mary School in Limassol

In der St. Marys School in Limassol wurden die Damen und Ritter von den Franziskaner-Missionsschwestern `Vom Heiligsten Herzen` freudig begrüßt. Ein besonderer Willkommensgruß waren die Tanzeinlagen von Schülern der ersten Klassen im Schultheater. Bereits im Jahr 1923 wurde die Schule gegründet. Die einstige Mädchenschule besuchen heute insgesamt 400 Schüler christlichen und muslimischen Glaubens, davon 150 Kindergartenkinder. Der Lehrplan konzentriert sich darauf, dass die Schüler vier moderne Sprachen fließend sprechen: Englisch, Griechisch, Französisch und Italienisch. Dem steht ein umfassendes Angebot an naturwissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fächern gegenüber. Die Schwestern überreichten der Gruppe stolz die Festschrift zum 100. Jubiläum der Schule.

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Gute Beziehungen zur Orthodoxie

S. E. Weihbischof Bruno Varriano erfährt viel Unterstützung aus dem Patriarchat in Jerusalem. Er ist felsenfest davon überzeugt, dass sich in höchstens 10 Jahren die Situation der katholischen Kirche auf der Insel geändert haben wird. „Es lassen sich immer mehr Christen hier nieder, die unserer Seelsorge bedürfen. Wir müssen uns auch weiterhin um die vielen Flüchtlinge kümmern.“ Er freut sich, dass seine Kontakte zur griechisch-orthodoxen Kirche sehr freundschaftlich sind. So hat er den orthodoxen Ukrainern sogar einen Kirchenbau zur Verfügung gestellt.

Auf den Spuren von Paulus und Barnabas

`Vom Heiligen Geist ausgesandt, zogen sie (Paulus und Barnabas) nach Seleukia hinab und segelten von da nach Zypern. Als sie in Salamis angekommen waren, verkündeten sie das Wort Gottes in den Synagogen der Juden. Johannes hatten sie als Helfer bei sich. Sie durchzogen die ganze Insel bis Paphos.` (aus der Apostelgeschichte, 13,4-6). Und auf deren Spuren gab es für die Damen und Ritter der Deutschen Statthalterei wahrlich viel zu entdecken und zu bestaunen.  

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