Pater Salmann OSB spricht bei den Einkehrtagen der Ordensprovinz Norddeutschland
In diesem Jahr trafen sich die Mitglieder der Ordensprovinz Norddeutschland zu den traditionellen Einkehrtagen in der Bildungsstätte Haus Ohrbeck bei Osnabrück. Als Referent zu dem Thema „„Gewitterzone Heiliges Land, von 1.200 v. Chr. bis heute – politisch, religiös, theologisch“ war Pater Prof. Dr. Elmar Salmann OSB, Benediktinermönch der Abtei Gerleve und Professor für Philosophie und Systematische Theologie, nach Ohrbeck gekommen. Als Ehrengast nahm der deutsche Statthalter, S.E. Cfr. Dr. Michael Schnieders, an den Einkehrtagen teil.
Gott im Spannungsfeld der Geschichte
Pater Salmann begann die 1. Arbeitseinheit mit einer intensiven Betrachtung des Heiligen Landes. Diese Region, so Salmann, sei seit Jahrtausenden Schauplatz religiöser, politischer und kultureller Spannungen: „Seit über 2.000 Jahren gibt es keine Ruhe in Palästina, dieser Ort ist kein Stammland, sondern ein Durchwander-Land, durchzogen von Konflikten und Eroberungen“.
Ein zentraler Aspekt in der 2. Arbeitseinheit war die Widersprüchlichkeit Gottes. Diese Spannungen durchzögen die gesamte biblische Geschichte: vom Bund Gottes mit Israel über die wechselseitige Treue und Untreue des Volkes bis hin zu Phasen von Erwählung und Verwerfung. Gott erscheine hier als ein Wesen in einem dynamischen Spannungsfeld – eine unauflösliche Dualität, die das Verständnis der Heiligen Schrift präge, resümierte Salmann.
Er erweiterte seine Perspektive auf die „Verwerfungszonen der Geschichte. „Diese tektonischen Bruchlinien, die Kriege und Konflikte auslösen, reichen von Palästina über den Balkan bis hin nach Süditalien und Troja. Es gibt keine sauberen Hände“, stellte er fest und betonte, dass in allen Auseinandersetzungen keine Seite völlig unschuldig sei. Die Menschheitsgeschichte, so Salmann, sei von Kriegen und Kämpfen um Macht, Identität und Glauben durchzogen.
Das Drama der Gottesbeziehung
Die Bedeutung des Bundes zwischen Gott und Israel sieht Salmann als das zentrale Thema der Bibel, nicht das Land selbst: „Das Land gehört Israel nicht“, erläuterte er, „alles hängt am seidenen Faden der Gottesbeziehung.“ Diese Beziehung, geprägt von Gegensätzen, stelle eine immerwährende Spannung dar, die sich durch die gesamte biblische Geschichte ziehe. Auch das Wort „Shalom“, das oft als „Frieden“ verstanden wird, sei in diesem Zusammenhang irreführend: „Man sollte nicht in festen Begriffen denken“, erklärte Salmann. Letztlich gehe es immer um die Beziehung zu Gott, nicht um das Land an sich.
Polarität als Schlüssel zur Geschichte
In der letzten und 3. Arbeitseinheit ging Salmann auf die Polaritäten in der Geschichte und in der Gottesbeziehung ein. Nur durch eine synoptische Sichtweise, die Widersprüche und Brüche anerkennt, könne man die tiefere Bedeutung der Glaubensgeschichte erfassen. Die tiefen Widersprüche, die sich durch das Heilige Land und die biblische Geschichte zögen, spiegelten eine Realität wider, die wir auch in unserem Glaubensleben erkennen müssten. Salmann forderte die Zuhörer auf, die Spannungen und Polaritäten, die das Wesen Gottes und die menschliche Geschichte prägen, als Schlüssel zum tieferen Verständnis zu begreifen. Es sei gerade diese dynamische Auseinandersetzung, die das Heilige Land als „Gewitterzone“ ausmache – ein Ort, der nicht nur Konflikte, sondern auch Offenbarung und Hoffnung berge.
Mit diesen Gedanken entließ Pater Salmann die Ordensgeschwister. Sein Vortrag bot nicht nur theologische Einsichten, sondern auch eine Einladung, die eigenen Glaubensfragen mit neuem Mut zu durchdringen. Die Herausforderung, die Spannungen und Widersprüche zu akzeptieren, bleibt ein zentrales Element im Leben jedes Gläubigen – und kann letztlich zu einer tieferen Beziehung zu Gott führen.