Am fünften Fastensonntag, der auch Passionssonntag genannt wird, sind wir eingeladen, unseren Blick auf die Passion und das Kreuz Christi zu lenken. Daran erinnert uns die Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Philipper, die in der Heiligen Messe vorgetragen wird: „Christus will ich erkennen und die Macht seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit seinem Leiden; sein Tod soll mich prägen“ (Phil 3,10). Als Damen und Ritter unseres Ordens sagt das Kreuz Christi etwas Wesentliches über das Christsein im Orden. Betrachten wir daher das Bild des Kreuzes, das auch ein Bild des christlichen Menschen ist.

Von Gott geliebt

Anhand des Querbalkens des Kreuzes können wir den Weg des Menschen beschreiben, der von Gott kommt und zu ihm zurückkehrt. Denn der Querbalken zeigt nach beiden Seiten ins Unendliche. In Christus sind wir von Ewigkeit her von Gott gewollt. Der Mensch braucht daher durch nichts anderes seine Existenz zu rechtfertigen. Er muss nicht etwas leisten, um etwas zu gelten. Es ist die Liebe Gottes, die den Menschen rechtfertigt. In seinem Exerzitienbuch schreibt der hl. Ignatius von Loyola deshalb zu Beginn den Satz: „Der Mensch ist geschaffen“. Als Mensch bin ich von Gott geschaffen und deshalb auch bejaht und geliebt, und zwar mit allen Gaben und Begrenzungen, die ich habe.

Im Kreuz Christi wird sodann deutlich, dass das Leben des Christen sein gesamtes Maß in Jesus Christus selbst hat. Durch seinen Tod und seine Auferstehung ist uns ebenso eine neue Zukunft eröffnet. Eine Zukunft, die wir nicht selbst machen können. Der hl. Papst Johannes Paul II. hat in seiner Enzyklika Evangelium vitae geschrieben: „Der Mensch ist zu einer Lebensfülle berufen, die weit über die Dimension seiner irdischen Existenz hinausgeht, da sie in der Teilhabe am Leben Gottes selber besteht“ (EV 2). Unsere Zukunft kommt von Gott. Deshalb haben wir Christen immer mehr Zukunft als Gegenwart. Dafür legen wir Damen und Ritter unseres Ordens in unserer Welt Zeugnis ab. Und dieses Zeugnis ist befreiend, da es uns vor der großen Versuchung bewahrt, schon in dieser Welt alles haben zu wollen.

Gott im Blick

Der Längsbalken des Kreuzes zeigt nach oben – zu Gott. Die christliche Berufung lässt den Menschen über sich selbst hinauswachsen. Das können wir an Maria erkennen. Im Magnifikat sagt sie, dass Gott an ihr Großes getan hat, weil er auf sie geschaut hat. Dort, wo Gottes Blick hinfällt, da bleibt nichts gering und klein. Das ist die wunderbare Botschaft des Kreuzes. Von dort schaut Gott uns in einem letzten Augenblick an. Gott weiß um uns. Er schaut nicht weg, sondern sein Blick gilt uns.

Das heißt dann aber auch: Wir dürfen uns anschauen lassen. Und wir dürfen den Blick erwidern. Wir dürfen Gott anschauen. Wir können uns immer wieder nach dem Größeren ausrichten, wenn wir richtig leben wollen. Das bedeutet, dass wir nicht bei dem bleiben, was wir Menschen denken, sondern wir sind eingeladen, die Gedanken Gottes zu denken. Ja, wir können über uns selbst hinauswachsen. Der Mensch wird erst dann zu einer christlichen und liebenden Persönlichkeit, wenn er auf Höheres setzt als auf sein eigenes Ich. Papst Benedikt XVI.  schrieb daher in seiner Enzyklika Deus caritas est über Maria, dass sie „im Glauben mit Gottes Gedanken denkend … nur eine Liebende“ (DC 41) sein kann. In dieser Weise sind wir im Orden eingeladen, immer mehr Gott-Denkende zu werden.

In der Welt verwurzelt

Der Längsbalken des Kreuzes zeigt aber auch in die Tiefe. Er verweist uns an die Orte, an denen Menschen die Erfahrungen von Leid, Scheitern und Einsamkeit machen. Jeder Mensch erlebt das in seinem eigenen Leben. Aber seit dem Sterben Christi am Kreuz sind wir in den Tiefen unseres Lebens nicht mehr allein, sondern es ist die Nähe Christi, die in den Tiefpunkten aufstrahlt.

Das Leid ist fortan der Ort, an dem wir Christus begegnen können. Er steht im Mit-Leid zu uns. Seit er für uns das Kreuz getragen hat, sind wir mit ihm verbunden. Weil wir mit ihm verbunden sind, sind wir nun aber auch mit den Menschen verbunden, die ebenso in dieser Welt leiden. Insofern ist es unsere Berufung, in Verbundenheit mit den Armen, Leidenden und Bedrängten zu leben. Wir sind in Christus zu einer Schicksalsgemeinschaft zusammengeführt worden. So schreibt Papst Franziskus in seiner jüngsten Enzyklika Dilexit nos: „Auch im Bezug auf die Wunde seines Herzens hilft es uns, auf den Herrn zu sehen: ‚Er hat unsere Leiden auf sich genommen und unsere Krankheiten getragen‘ (Mt 8,17). Es hilft uns, mehr auf die Leiden und Bedürfnisse der anderen zu achten, es gibt uns Kraft, damit wir als Werkzeuge für die Verbreitung seiner Liebe an seinem Werk der Befreiung mitwirken können“ (DN 171). Die Gemeinschaft mit Christus verpflichtet uns in besonderer Weise zum Mit-Leiden mit den „Christen im Heiligen Land“ (vgl. Ordensgebet), dem wir auch durch unser Karfreitagsopfer Ausdruck verleihen. So bezeugen wir das Geheimnis Christi, und so bleibt Christus als der Gekreuzigte in der Welt anwesend.

OESSH Deutsche Statthalterei

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