„Unsere Heimat ist im Himmel“
Text: Cfr. Dompropst Daniel Rudloff, Prior der Komturei St. Mauritius Magdeburg
Als der große Europäer Otto von Habsburg 2011 verstorben ist, wurde er, obwohl er auf die österreichische Thronfolge verzichtet hatte, wie seine Vorfahren in der Kapuzinergruft in Wien beigesetzt. Dabei empfand ich die sogenannte „Anklopfzeremonie“ besonders beeindruckend.
Nachdem der Trauerzug vom Stephansdom zur Kapuzinergruft gezogen war, endete er dort vor verschlossener Tür.
Dann klopfte der Zeremonienmeister drei Mal an die Tür, worauf von drinnen einer der Kapuziner-Brüder fragte: „Wer begehrt Einlass?“
Und dann wurde aufgezählt: „Otto von Österreich, einst Kronprinz von Österreich-Ungarn, königlicher Prinz von Ungarn und Böhmen, von Dalmatien, Kroatien, Slawonien, Galizien, Lodomerien und Illyrien usw. usf
Von drinnen erfolgt allerdings die Antwort „Wir kennen ihn nicht!“.
Darauf klopfte der Zeremonienmeister wieder drei Mal an die verschlossene Tür und es folgte erneut die Frage: „Wer begehrt Einlass?“
„Dr. Otto von Habsburg, Präsident und Ehrenpräsident der Paneuropa-Union, Mitglied und Alterspräsident des Europäischen Parlamentes, Ehrendoktor zahlreicher Universitäten und Ehrenbürger vieler Gemeinden in Mitteleuropa, Mitglied ehrwürdiger Akademien und Institute, Träger hoher und höchster staatlicher und kirchlicher Auszeichnungen …“
Aber auch dieses Mal erklang die Antwort: „Wir kennen ihn nicht!“
Worauf erneut drei Mal an die Tür geklopft wurde und von drinnen die Frage kam: „Wer begehrt Einlass?“ Dieses Mal lautete die Antwort: „Otto – ein sterblicher, sündiger Mensch!“ Und mit Erleichterung konnte man die Antwort vernehmen: „So komme er herein!“; und die Tür öffnete sich.
Was da ein wenig wie ein Schauspiel daherkam, hat einen tiefen Bezug zum Allerseelentag, an dem wir eingeladen sind, unserer Verstorbenen zu gedenken.
Liegt der Zeremonie doch die Erkenntnis zu Grunde, dass angesichts des Todes, Titel, ehrenvolle Ämter, Verdienste oder Leistungen ihre in dieser Welt so große Bedeutung verlieren. Die Erkenntnis, dass jede und jeder vielmehr als einfacher und auch mit Schuld beladener Menschen vor Gott tritt.
Dass wir letztlich nichts vorweisen können als uns selbst.
So ernüchternd dies klingt, muss es uns jedoch nicht entmutigen. Vielmehr darf es uns mit der Hoffnung erfüllen, dass Gott zu jedem Menschen – unabhängig davon, was er ist, was er kann oder was er erreicht hat – sagen wird: „So komme er herein!“
Es ist die Einladung Gottes an uns Menschen, zu ihm zu kommen und bei ihm das ewige Leben zu haben, Heimat zu finden bei ihm.
„Unsere Heimat ist im Himmel“, schreibt der Apostel Paulus an die Philipper.
Natürlich fällt es uns Menschen schwer, die irdische Heimat, in der wir uns eingerichtet haben, zu verlassen. Zu sehr hängen wir an dem, was uns hier umgibt und nicht zuletzt an den Menschen, mit denen wir das Leben teilen.
Deswegen sind wir auch erschüttert, wenn jemand aus dem Familien- oder Freundeskreis stirbt.
Deswegen lässt es uns auch nicht unberührt, wenn uns Bilder von sterbenden Menschen in den Krisenregionen, auch im Hl. Land erreichen. Der begonnene Friedensprozess ist hier ein Hoffnungszeichen.
Hoffnung darf auch den Allerseelentag prägen. So sehr er mit dem Gedenken an die Verstorbenen verbunden ist, mit denen wir uns über den Tod hinaus verbunden wissen, möchte er vor allem unseren Blick und unseren Geist öffnen für das, was uns erwartet. Dies darf Einfluss haben darauf, wie wir unser Leben hier gestalten, worin wir Sinn finden. Nicht das Haben, der Verdienst oder die gesellschaftliche Stellung sollen uns beschäftigen. Vielmehr das Suchen und Finden unserer Heimat bei Gott. Oder wie es Franz von Sales sagte: „Die Zeit, Gott zu suchen, ist das Leben. Die Zeit, Gott zu finden, ist der Tod. Die Zeit, ihn zu besitzen, ist die Ewigkeit.“
In diesem Sinn ist der Allerseelentag kein Tag der Trauer, sondern der Hoffnung. Der Hoffnung, dass Gott zu unseren Verstorbenen und dereinst auch zu uns sagt: Kommt herein und findet Heimat bei mir.
