Text: Cfr. Norbert Lukannek
Eine Woche nach der beeindruckenden und in mancher Beziehung nachklingenden Investitur in Hildesheim machte sich eine Gruppe von 14 Pilgern aus der Komturei St. Wiho Osnabrück/Vechta, verstärkt durch zwei liebgewonnene Pilger aus der Komturei St. Ludgerus Münster, auf den Weg in die Oberlausitz. Initiiert und kenntnisreich geführt wurde sie von Cfr. Dr. Hermann Queckenstedt und unterstützt durch den Ltd. Komtur der Komturei St. Wiho, Cfr. Burkhard Jasper.
„Porta patet, cor magis!“
Unter diesem Motto wurde die Gruppe herzlich im Internationalen Begegnungszentrum des Klosterstiftes St. Marienthal aufgenommen, das die Versöhnung und Völkerverständigung im Dreiländereck über kulturelle, konfessionelle und Ländergrenzen hinweg zum Ziel hat. Das 1234 gegründete Zisterzienserinnenkloster erstrahlt nach wechselvoller Geschichte, einem Großbrand im 17. Jahrhundert und wiederholten Hochwasserschäden, zuletzt 2010, heute wieder in barockem Glanz. Die imposante Klosteranlage liegt direkt an der Neiße und somit an der Grenze zu Polen und nahe Tschechien.
Vom Umgang mit Gottes Wort
Unverzichtbarer Grundpfeiler der Pilgerreise war die spirituelle Begleitung durch Cfr. Domkapitular Dr. Martin Schomaker, der die Gruppe bei Impulsen, Andachten und Tischmessen zur Reflexion des eigenen gelebten Glaubens und zu neuen Blickwinkeln auf unsere Glaubenslehre ermutigte.
Ein besonderes Erlebnis war das Gespräch mit S. E. Bischof Wolfgang Ipolt in Görlitz über die Lage im Bistum. Die Seelsorge in der Diaspora, mit einem Anteil von nur 3–4 Prozent Katholiken, erfordert Zuhören, Begegnung auf Augenhöhe und im wahrsten Sinne des Wortes „Brücken bauen“ – alles Eigenschaften, die wir in unserer jeweiligen Gemeindearbeit noch weiter ausbauen können und angesichts der schwindenden Zahl der Katholiken auch müssen. Erstaunlich und ermutigend war die Information des Bischofs, dass in dieser kleinsten deutschen Diözese derzeit zwei Priesteramtskandidaten ausgebildet werden – keine Selbstverständlichkeit, selbst in katholischen Zentren.
In Herrnhut erhielt die Gruppe Einblicke in die Lebensweise der Evangelischen Brüdergemeine, deren Wurzeln in der tschechischen Reformation (Jan Hus) und der 1457 gegründeten Bewegung der Böhmischen Brüder liegen. Die herzliche Aufnahme bestärkte die Pilgergruppe darin, offen auf andere Konfessionen zuzugehen.

Glaubenszeugnisse in Görlitz und Zittau
Ein Höhepunkt der Reise war der Besuch des „Heiligen Grabes“ in Görlitz, errichtet durch den Görlitzer Kaufmann Georg Emmerich, der 1465 zur Buße nach Jerusalem pilgerte, dort zum Ritter des Heiligen Grabes geschlagen wurde und aus Dankbarkeit die Errichtung der beeindruckenden Anlage in Görlitz initiierte. Die Heilig-Grab-Kapelle ist eine verkleinerte Nachbildung des hochmittelalterlichen Jerusalemer Originals, das heute in der Grabeskirche so nicht mehr zu sehen ist. Die gotische Kirche St. Peter und Paul, die Dreifaltigkeitskirche, aber auch die in der Reichspogromnacht unzerstört gebliebene jüdische Synagoge und ein Gang über die Neißebrücke nach Polen waren weitere Stationen.
Zittau beeindruckte durch seine historische Innenstadt mit der nach Plänen Karl Friedrich Schinkels fertiggestellten Johanniskirche, dem Epitaphien Schatz in der Klosterkirche und den unvergleichlichen Zittauer Fastentüchern – eindrucksvolle Zeugnisse des Glaubens und der Kunst des 15. und 16. Jahrhunderts. Der Besuch wurde durch die Sonderausstellung „Ritterlich! 750 Jahre Johanniter in Sachsen“ mit sachkundiger Führung durch einen Ritter des Johanniterordens abgerundet.
Entdeckungen mit allen Sinnen
Auch technikaffine Pilger kamen auf dieser Reise auf ihre Kosten – bei einer Fahrt mit der historischen Zittauer Schmalspurbahn, einem kurzen Blick auf „ROBUR“-Fahrzeuge aus DDR-Zeiten, einem Besuch der Herrnhuter-Sterne-Manufaktur sowie der Damastweberei im pittoresken Großschönau. Eine Führung durch den Obstsortengarten Oberlausitz erfreute Gartenfreunde und Liebhaber alter Apfelsorten. Der anschließende Vortrag mit Diskussion zum Thema „Wie tickt der Osten?“ brachte für manch einen neue Erkenntnisse und lud zum Nachdenken ein.
Eine Pilgerreise auf der Via Sacra: Horizonterweiterung – spirituelle Erfahrung – gelebte Ordensgemeinschaft.
