Provinztag der Ordensprovinz Rhein-Main 2025
Passend zum Jahresmotto der Deutschen Statthalterei „Lenke unsere Schritte auf dem Weg des Friedens“ (Lk 1,79b) machte sich die Ordensprovinz Rhein-Main auf den Weg nach Wiesbaden-Naurod zum Provinztag, der unter dem Thema „Suchet den Frieden und jaget ihm nach“ (Ps 34,15) stand.
Achtsame Suche oder blinde Jagd?
Schon der Name des Veranstaltungsortes „Wilhelm-Kempf-Haus“ mahnt zur Wachsamkeit: Wer auf der Suche nach Infos zum „Namenspatron“ des kirchlichen Hauses – in diesem Falle (noch) kein Heiliger – nicht auf die Anzahl der „f“ am Ende achtet, findet nicht den katholischen Bischof von Limburg (1949–1981), sondern einen Pianisten mit umstrittener Rolle im NS-Regime. Wer sich also „auf die Suche“ begibt, ist gut beraten, sich nicht blindlings auf stürmische Jagd zu begeben, sondern achtsam genau hinzuschauen.

Amen – inschallah: Die Mönche von Tibhirine
Der erste Blick der Veranstaltungen richtete sich somit folgerichtig nach innen und nach oben: Nach der Begrüßung durch Präsident Cfr. Erwin Waider lud Provinzprior Cfr. Dr. Georg Müller in seiner Einstimmung dazu ein, das geistliche Testament des 1996 in Algerien ermordeten Trappisten-Priors von Tibhirine in den Blick zu nehmen. Im Bewusstsein der von islamistischen Fanatikern ausgehenden Bedrohung verfasste Christian de Chergé drei Jahre vor seinem gewaltsamen Tod ein Dokument, in dem er die Differenzierung zwischen dem religiösen Weg des Islam und dem fundamentalistischen Extremismus anmahnt und seinem zukünftigen Mörder, den er als „Freund meines letzten Augenblicks“ anspricht, vergibt. Die sieben entführten und enthaupteten Mönche von Tibhirine, die im Jahr 2018 von Papst Franziskus seliggesprochen wurden, verstanden sich als Brüder im Dialog zwischen Christentum und Islam. Folgerichtig schloss de Chergé sein geistliches Testament mit den beiden Worten: „Amen – inschallah“.

Beten – Pilgern – Opfern
Die weiteren Punkte der Kapitelsitzung waren nach dem emotional fordernden Einstieg ein Zwischenspiel, bestehend aus den Berichten der Provinz- und Komturei-Leitungen sowie dem Rück- und Ausblick des Pilgerbeauftragten Cfr. Thomas Krahwinkel. Das Wallfahrtsmotiv aufgreifend erinnerte anschließend Schatzmeister Cfr. Bernhard Kinzinger daran, dass jeder einzelne Spenden-Euro eine kleine Wallfahrt nach Jerusalem darstelle. Der trockene Stoff des Finanzberichtes erinnere zwar an eine zu durchwandernde Wüste, jeglicher Spendenfluss bewahre aber – einer Oase gleich – das Lateinische Patriarchat vor dem Austrocknen.

Religion als Politik im Heiligen Land
Der mit Spannung erwartete Nachmittagsvortrag des deutschen Journalisten und promovierten Islamwissenschaftlers Dr. phil. Rainer Hermann stand unter der provokanten These: „Der radikale Islam: Kein Friede mit Israel“. Der langjährige Nahostkorrespondent – zunächst im Dienst der Bundesstelle für Außenhandelsinformation, später für die Frankfurter Allgemeine Zeitung – beleuchtete Hintergründe und die Frage, warum Frieden im Heiligen Land so schwer zu schaffen ist. Neben dem islamischen Umgang mit den Grundurkunden des Glaubens – Thora und Koran – thematisierte Hermann koranische und historische Ansprüche auf Palästina als Stiftungsland sowie unterschiedliche Interpretationsvarianten des Begriffes Dschihad. Im Blick auf die jüngere Vergangenheit schilderte der Referent die Entwicklung der Hamas vom Ableger der Muslimbruderschaft, als eine vom Islam inspirierte zivilgesellschaftliche Bewegung, hin zur Terrororganisation und schließlich zum militantesten Feind Israels. Alternative Perspektiven religiöser Verständigung sind aus Sicht Hermanns durchaus gegeben, scheitern aber oft im Konflikt zwischen Hardlinern und Realpolitikern (auf beiden Seiten). So endete der Vortrag mit einem Zitat von Elie Barnavi: „Solange Gewalt religiös legitimiert wird, ist Frieden nicht möglich“.

Heilig-Land-Kommission
Wie folgenschwer sich die Nichtbereitschaft zum Frieden auswirkt, belegte im Anschluss Csr. Cornelia Kimberger in ihrem eindrücklichen Bericht zur aktuellen Situation im Heiligen Land. Gemeinsam mit Cfr. PD Dr. Joachim Reger, diözesaner Islambeauftragter des Bistums Speyer, und dem Vortragsreferenten Dr. Rainer Hermann stellten sich die drei Experten den zahlreichen Fragen des überaus interessierten Auditoriums. Noch lange nach dem offiziellen Ende der Diskussionsrunde waren die Referenten gefragte Gesprächspartner und standen auch während des gemeinsamen Abendessens vor der abendlichen Vesper in der Hauskapelle Rede und Antwort.

Dialog mit dem Islam – Chancen und Schwierigkeiten
Am nächsten Morgen konnte Cfr. PD Dr. Joachim Reger nahtlos mit seinem Vortrag zum Thema „Christlich-islamischer Dialog: Chancen und Schwierigkeiten“ anknüpfen. Das über Nacht nur leicht geschrumpfte Auditorium – von Cfr. Reger ob der gesunden Mischung aus Theologen und Nicht-Theologen als „Mixed Pickles“ tituliert – erhielt durch den launigen Vortrag mit ernstem Inhalt und fundierten Fakten einen profunden Einblick in den derzeitigen Ist-Zustand der sich stetig wandelnden deutschen Gesellschaft. In nicht allzu ferner Zukunft wird die Gruppe der Menschen ohne Religionszugehörigkeit in Deutschland die mit Abstand größte sein. Vor diesem Hintergrund sieht Reger den (interreligiösen) Dialog als Wesensbestimmung des Christentums, trinitarische Mitte und zentralen Lösungsansatz: „Gott will Gespräch“ sei die entscheidende Basis, um gemeinschaftszerstörendem Fundamentalismus gleich welcher Konfession den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dazu sieht Reger unter anderem auch die realistische Phänomenologie der Hl. Edith Stein als Leitbild interreligiösen Verstehens: Genaues Hinschauen sei die Grundlage für Diskussion. Als zweites Beispiel lenkte Reger den Blick erneut zu den Trappisten in Algerien: Der Hl. Charles de Foucauld, der während des 1. Weltkrieges als Eremit dort lebte und ebenfalls ermordet wurde, sah den „Verzicht auf Evangelisierung“ als den „Kern der Evangelisierung“, sich selbst als Gottsucher.

Ihr seid der Tempel Gottes – lebendige Steine
Hier schloss sich der Kreis zum Thema des Provinztages: der Suche nach Wegen zum Frieden. Die von Provinzprior Cfr. Dr. Georg Müller zelebrierte Sonntagsmesse zum Weihetag der Lateranbasilika in der Kapelle des Wilhelm-Kempf-Hauses schenkte allen Teilnehmern des Provinztages Gelegenheit, sich mit offenen Fragen und Gedanken an Christus – Mensch, Gott und Friedensfürst – zu wenden, inneren Frieden zu finden, wenn der äußere noch auf sich warten lässt, und als lebendige Steine das Haus Gottes zu bilden.

