Text: Msgr. Dr. Hansjörg Günther, Prior der Ordensprovinz Ostdeutschland und Vorsitzender der Kommission Spiritualität
Im Evangelium des zweiten Adventssonntags begegnet uns Johannes der Täufer – eine Gestalt, die völlig aus unserer adventlichen Wohlfühlstimmung herausfällt. Sein Ort ist nicht die Krippe, sondern die Wüste. Seine Kleidung aus Kamelhaar, seine Nahrung aus Heuschrecken und wildem Honig, seine grobe Forderung nach Umkehr – alles an ihm wirkt störend, unbequem, fordernd. Er ist keine heimelige Gestalt.
Historisch war Johannes eine eigenständige Figur mit eigenen Anhängern, eigener Botschaft und eigenem Verständnis des Reiches Gottes. Jesus sympathisierte mit ihm, ließ sich taufen – doch danach gingen beide verschiedene Wege. Die frühen Christen erkannten dies und ordneten Johannes Jesu Verkündigung unter. Sie sahen: Jesus wartete nicht in der Wüste auf seine Jünger; er kam zu ihnen, setzte auf Vergebung und Barmherzigkeit, zeigte befreiende Nähe.
Doch die Umkehrpredigt des Täufers verliert ihre Gültigkeit nicht. Sie findet sich im Evangelium auch, weil die Botschaft des Evangeliums in den Ernst der Welt hineingesprochen ist: Sie gilt auch uns Christen heute – gerade weil es in der Welt nicht so weitergehen kann: mit der ungerechten Verteilung von Ressourcen, mit Krieg, Terror und Hass. Johannes erinnert uns: Umkehr ist nicht Gefühl, sondern radikale Veränderung. Sie beginnt im Kopf und betrifft mein ganzes Leben.
Als Christen vertrauen wir dem Reis aus der Wurzel, dem Spross aus dem alten abgesägten oder vertrockneten Baumstock, der Jesus heißt und uns versichert, dass nicht alles im Alten verhaftet bleiben muss, sondern dass es die Chance gibt, anders vielleicht als bisher, aber neu zu leben (vgl. Jes 11,1).
Im Gefolge Jesu, als Menschen, die ihm nachfolgen, haben auch wir Christen einen Traum, jenen vom umfassenden Schalom des Reiches Gottes, den Traum, dass Schwerter zu Pflugscharen und Lanzen zu Winzermessern werden können (vgl. Jes 2,4).
Wir haben den Traum, dass nicht der Stärkere den „struggle for life“, wie Darwin meinte, den Kampf ums Dasein auf dieser Welt, unbedingt gewinnen wird und muss, dass nicht „Untermenschen“ die zwangsläufige Folge dieses Kampfes sein müssen.
Wir Christen haben das Friedensbild des Jesaja als Hoffnungsbild:
„Der Wolf findet Schutz beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Junge leitet sie.“
Sollen doch andere sagen, dass das naiv ist! Was wäre denn geholfen, wenn wir diese Hoffnungsbilder nicht lebendig halten würden?
Das Lateinische Patriarchat unterhält 33 Kindergärten und 44 Schulen, in denen 20.000 Schülerinnen und Schüler von ca. 1.600 Lehrkräften unterrichtet werden. Der Besuch steht Kindern aller Religionen offen. Die Unterstützung durch unsere Ordensgemeinschaft fördert den kulturellen Dialog und bedeutet eine aktive Friedensarbeit im Heiligen Land. Es ist die Umkehr vom Weg der Gewalt zum Weg der Bildung. Es ist die Umkehr vom Hass zur Hoffnung. Es ist die Umkehr, die sagt: Nicht der Stärkere wird siegen, nicht die Waffen entscheiden, sondern die Liebe, die sich zum anderen hinneigt.
