In der Welt werdet ihr hart bedrängt, aber lasst euch nicht entmutigen: Ich habe diese Welt besiegt. (Johannes 16)
Bericht der Vorsitzenden der Heilig-Land-Kommission, Csr. Cornelia Kimberger
Die Bilder des Terrorangriffs der Hamas von vor über drei Wochen haben sich in die Herzen der Menschen gegraben. Sprachlos wird man, ob all der furchtbaren Gewalt, die am 7.Oktober 2023 und darüber hinaus viel Leid in Israel hervorbrachte. Über 230 verschleppte Unschuldige befinden sich in den Händen der Hamas als Geiseln. Wann lässt sie die Hamas endlich frei? Unter den Geiseln und den von der Hamas Getöteten sind auch Arbeitsmigrantinnen, um die sich das Vikariat für Migranten und Asylanten des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem kümmert. Aufgrund der Reaktion Israels im Rahmen seiner Selbstverteidigung gibt es nun Tausende von Toten auch in Gaza mit seinen 2,3 Mio. Einwohnern. Unter den Toten befinden sich auch Christen, die sich auf einem Kirchengelände in Sicherheit bringen wollten.
Humanitäre Situation
Die Deutsche Statthalterei steht im ständigen Kontakt mit den ihr anvertrauten Christen im Heiligen Land, deren humanitäre Lage sich immer mehr verschlechtert. Die Arbeitslosenrate schnellt rapide in die Höhe. Der Tourismus in Palästina und Jerusalem ist zusammengebrochen – die Existenzgrundlage vieler tausender christlicher Palästinenser. Arbeiter aus dem Westjordanland und aus dem Gazastreifen, die bis vor drei Wochen in Israel angestellt waren, vorwiegend im Baugewerbe und in der Landwirtschaft, sind nun ohne Anstellung – Christen in Gaza, die sich in die Gemeinde Heilige Familie flüchten und denen es am Nötigsten fehlt.
Videobotschaft des Patriarchen
Am 25. Oktober wandte sich der Lateinische Patriarch, Seine Seligkeit Pierbattista Kardinal Pizzaballa in einer Videobotschaft an die Christen in Gaza. „Was Ihr nun alle erleben müsst, berührt mein Herz, unser aller Herz sehr. Euer christliches Zeugnis, wie ihr diese schreckliche Situation nun lebt, ermutigt mich. Ihr erinnert mich an das Evangelium, in dem Jesus sagt: ‘Habt keine Angst vor denen, die euch umbringen wollen. Sie können nur euren Körper töten; eure Seele ist für sie unerreichbar.‘ Ich bin bei Euch! Euer Leiden und Euer Schmerz sind meine Sorge.“ Er sei immerzu im Gebet und zudem im Dialog mit den Verantwortlichen, um die Christen so gut wie möglich zu unterstützen. „Alle Christen des Heiligen Landes, ja alle Christen weltweit stehen Euch bei, beten für Euch und unterstützen Euch.“
Flüchtlinge in der Gemeinde
Der Priester aus der Gemeinde Heilige Familie, Fr. Gabriel Romanelli, berichtet uns am 26. Oktober 2023, dass auf dem Gelände nun inzwischen mehr als 700 Personen Zuflucht gefunden haben. „Sie haben Angst vor Bombardierungen und hoffen in Sicherheit zu sein. Die Christen bleiben im Norden Gazas, da sie nicht wissen, wohin sie gehen sollen“, berichtet der Priester. „Auch im Süden des Gazastreifens fallen Bomben. Wir haben zudem 54 schwerbehinderte Kinder, die von den Mutter-Theresa-Schwestern rund um die Uhr betreut und medizinisch versorgt werden müssen.“ Auch alle Ordensfrauen bleiben in der Gemeinde, „denn sie sehen ihren christlichen Auftrag darin, sich um die Flüchtlinge bei uns auf dem Kirchengelände zu kümmern.“ Seine Seligkeit Pierbattista Kardinal Pizzaballa habe den israelischen Behörden die genauen Koordinaten der Kirche mitgeteilt, um zu verhindern, dass sie von einem Luftangriff getroffen wird, so Fr. Romanelli.
Gemeinsames Gebet
Die Christen, Katholiken und Orthodoxe, versammeln sich bereits um 8:00 Uhr morgens zur Heiligen Messe. Den ganzen Tag über wird der Rosenkranz gebetet. Am Nachmittag folgt die Anbetung des Allerheiligsten Sakraments und im Anschluss daran eine zweite Heilige Messe. Fr. Romanelli ist dankbar, dass S. H. Papst Franziskus die Gemeinde jeden Tag anruft. „Wir wissen, dass der Papst der gesamten Bevölkerung nahesteht!“ Inzwischen fehle es an Nahrung, Wasser und Medikamenten.
Probleme in Palästina
Auch die Christen im Westjordanland sind in großer Sorge. Sie fürchten sich vor Siedlerangriffen, die seit dem Krieg zwischen der Hamas und Israel zunehmen. Bereits am 24. Oktober 2023 schreibt der Priester der 1.300 Einwohner zählenden Gemeinde in Taybeh, Fr. Bashar Fawadleh, an die Deutsche Statthalterei, dass Siedler aus den umliegenden Siedlungen in die christliche Ortschaft kommen und Christen angreifen. „Jeden Abend müssen wir uns entscheiden, ob der Unterricht in unserer Schule stattfinden kann. Wenn die Schüler zuhause bleiben müssen, dann können wir sie online unterrichten.“ Die Ortsgemeinschaft habe eine Nachtwache aus 70 Männern eingerichtet, „um uns alle zu beschützen“, schreibt der Priester. Er selbst schließt sich dieser Wache an. Am 26. Oktober 2023 erreicht die Deutsche Statthalterei folgende Nachricht: „Heute morgen haben Siedler unsere Leute bei der Olivenernte angegriffen. Dabei kam es zu blutigen Zusammenstößen, und man fürchtet weitere Siedlergewalt. „Auch unser Schulbus wurde angegriffen. Die Scheiben sind zerschlagen. Der Unterricht fällt heute aus.“ Die Nacht auf den 27. Oktober 2023 verlief in Taybeh ruhig. Stattdessen wurde eine Nachbargemeinde von Siedlern angegriffen. Für Fr. Bashar steht fest, dass die Christen in Taybeh bleiben werden, denn er befürchtet, dass aus einer Evakuierung eine dauerhafte Vertreibung werden würde. Er ist in ständigem Kontakt mit Seiner Seligkeit Pierbattista Kardinal Pizzaballa. Dieser habe bereits die politischen Verantwortlichen über die Lage der Christen im Westjordanland informiert, so der Priester.
Der Friede ist ein Geschenk Gottes
Weltweit folgten Christen am 27. Oktober 2023 dem Aufruf von S. H. Papst Franziskus zum Gebet und Fasten – gerade und auch im Gebiet der Deutschen Statthalterei. Er wiederholte seinen Appell vom 54ten Weltjugendtag „… Der Friede ist vor allem ein Geschenk, ein Geschenk Gottes; er muss mit unablässigem Gebet erfleht, durch einen geduldigen und respektvollen Dialog aufrechterhalten und durch eine offene Zusammenarbeit mit der Wahrheit und der Gerechtigkeit aufgebaut werden…“. So beteten und fasteten an diesem Tag die Christen in Gaza, im Westjordanland und die Christen in der Jerusalemer Altstadt. Zusammen mit Seiner Seligkeit Pierbattista Kardinal Pizzaballa gingen Ordensschwestern, Priester, Bischöfe und die Franziskaner betend den Kreuzweg auf der Via Dolorosa, um Frieden in den Herzen aller Menschen zu erbitten. In den Gebeten, in denen auch Maria, die Königin Palästinas angerufen wurde, ging es zudem um einen gerechten Frieden, den die Menschen des Heiligen Landes so dringend ersehnen.
Schwerter zu Pflugscharen
„Unsere Königin und Mutter, zeige den Bewohnern deiner Heimat den Weg der Brüderlichkeit. Inmitten des Donners der Waffen wende unsere Gedanken zum Frieden und unsere Schwerter zu Pflugscharen. Möge deine mütterliche Berührung diejenigen beruhigen, die leiden und vor den Raketen und Bomben fliehen. Möge deine mütterliche Umarmung diejenigen trösten, die verwundet sind oder gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, diejenigen, die ihre Familienangehörigen verloren haben, die Gefangenen und die Verlorenen.“
Sieg der Liebe
In seinem Brief an die Diözese Jerusalem vom 24.Oktober 2023 beklagt der Lateinische Patriarch die furchtbaren Gräueltaten der Hamas. „Ja wir haben die Pflicht, das zu sagen und anzuprangern. Die Anwendung von Gewalt ist nicht mit dem Evangelium vereinbar und führt nicht zum Frieden. Das Leben eines jeden Menschen hat die gleiche Würde vor Gott, der uns alle nach seinem Bilde geschaffen hat.“ Er zitiert aus dem Johannesevangelium, Vers 16: „Dies alles habe ich euch gesagt, damit ihr durch mich Frieden habt. In der Welt werdet ihr hart bedrängt, aber lasst euch nicht entmutigen: Ich habe diese Welt besiegt.“
Seine Seligkeit Pierbattista Kardinal Pizzaballa stellt fest: „Jesus hat am Kreuz gesiegt: nicht mit Waffen, nicht mit politischer Macht, nicht mit großen Mitteln, nicht, indem er sich selbst aufdrängte. Der Friede, von dem er spricht, hat nichts mit dem Sieg über andere zu tun. Er gewann die Welt, indem er sie liebte.“
Fest Maria Königin von Palästina
Am 29. Oktober2023, als in Deir Rafat der Gottesdienst anlässlich des Festes „Maria, Königin von Palästina“ gefeiert wurde, freute sich der Seine Seligkeit Pierbattista Kardinal Pizzaballa, dass sich trotz des Kriegeseinige Gläubige versammelt hatten. Zu dem Festgottesdienst kommen in friedlichen Zeiten Hunderte von Christen aus Israel und Palästina. Dennoch fand auch in diesem Jahr wieder eine Prozession mit der Statue der Gottesmutter um das Heiligtum statt und anstatt eines fröhlichen Festes wurden alle Gottesdienstbesucher zu einem Imbiss geladen.
Shalom aus dem Herzen Jesu
Vor ein paar Tagen erreichten die Deutsche Statthalterei folgende Zeilen aus Deir Rafat. Schwester Marilia, die dem Orden der „Kleinen Schwestern von Bethlehem“ angehört, welche die Pilger tagaus und tagein im Marienheiligtum betreuen: „Ein großes `Shalom` aus dem Herzen Jesu, aus diesem Land ohne Frieden. Vielen Dank für Ihre freundliche Nachricht. Oh, es tut uns leid, dass wir noch länger warten müssen, um Sie wieder zu sehen.“ (Anmerkung: der Statthalter und die Vorsitzende der Heilig-Land-Kommission hatten geplant, zusammen mit Damen und Rittern an den Feierlichkeiten teilzunehmen.) „Ja, die Situation ist schwierig, aber es gibt so viele Gebete! Und die Mutter Königin ist hier bei uns.“ …. „all die Tage müssen wir immer wieder den Luftschutzkeller aufsuchen. Wir werden Sie während des Festtages in unserem Herzen behalten, und gemeinsam für das Ende des Krieges beten. Gott segne Sie alle!“