Gesprächsabend mit Abt Nikodemus Schnabel OSB

Auf Einladung der Komturei St. Oliver Hildesheim des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem und der Katholischen Akademie des Bistums Hildesheim sprach Abt Nikodemus Schnabel OSB mit der NDR-Journalistin Birgit Langhammer in Hannover über das Leben als Christ in der Heiligen Stadt. Der promovierte Liturgiewissenschaftler und Ostkirchenkundler leitet seit 2023 die Dormitio-Abtei sowie das Priorat Tabgha am See Gennesaret.

(c) oessh.net / KAH Schnecker 14

Dormitio-Abtei trotzt Pilgerrückgang

Die Dormitio-Abtei zählt zu den bedeutendsten christlichen Stätten der Welt – doch seit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 herrscht dort ungewohnte Stille. Die Zahl der Pilger sei drastisch gesunken, berichtet Abt Nikodemus. Das habe schwerwiegende wirtschaftliche Folgen: Ohne Pilger blieben die Einnahmen aus den Klosterläden und der Cafeteria aus. Während es in Deutschland Kurzarbeit oder Arbeitslosengeld gäbe, existiere ein solches Sicherheitsnetz für die nicht-ordenszugehörigen Mitarbeiter der Abtei nicht. Die Mönche hätten daher beschlossen, ihre Altersrücklagen zu nutzen, um ihre Angestellten weiter zu bezahlen.

Dennoch bleibt der Abt optimistisch – mit einem Anflug von Ironie wirbt er: „Kommen Sie jetzt, Sie werden die Pilgerfahrt Ihres Lebens haben.“ Ein Besuch in der Heiligen Stadt sei weiterhin möglich – „wenn man wolle.“

Glaube als Brücke oder Grenze?

Ein zentrales Thema des Abends war die Rolle der Religion in Jerusalem. Glaube könne verbinden – aber auch spalten. Immer wieder werde er angefeindet, angespuckt, getreten, berichtet der Benediktiner. Doch er erfahre auch Unterstützung, insbesondere von jüdischen Geistlichen, mit denen er eng befreundet sei. Das Problem seien nicht religiöse Menschen an sich, sondern national-religiöse Radikale, die sogar in der israelischen Regierung vertreten seien und behaupteten, Israel gehöre ausschließlich den Juden.

Dormitio bleibt ein Ort der Begegnung

Trotz der schwierigen Lage bleibe die Dormitio-Abtei offen – nicht nur für Gläubige, sondern für alle Menschen. „Horizonte dehnen“ nennt Schnabel dieses Konzept. Die Stadt brauche Orte, an denen Menschen nicht nach Nationalität oder Religion unterschieden werden, sondern einfach Mensch sein können. Gerade in Krisenzeiten verliere das Kulturleben als Erstes an Bedeutung. Um dem entgegenzuwirken, haben die Benediktinermönche ihre Abtei zu einem Ort der Kultur gemacht – mit Ausstellungen und Konzerten. Denn, so der Abt: „Der Mensch ist am meisten Mensch, wenn er Kunst spürt.“

Die Benediktiner der Dormitio trotzen der Krise mit ruhiger Entschlossenheit. Ihre Botschaft ist klar: Die Abtei bleibt ein Ort der Stabilität, des Dialogs und der Menschlichkeit – auch in diesen unruhigen Zeiten.

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