Text: Cfr. Pfr. Michael Ipolt, Prior der Komturei St. Elisabeth Erfurt

„Das Bild“

Ein Gefängnisseelsorger erzählte mir eine Begebenheit, die mich tief berührte und

zum Nachdenken anregte.

In einer Justizvollzugsanstalt gab es unter den Strafgefangenen einige Künstler.

Einer von Ihnen malte tolle Bilder.

Im Dienstzimmer der Wachleute hing ein Bild dieses Künstlers: Zwölf

Männer blickten bestürzt nach oben, ihr Haar zerzaust, die Gesichter aber in

strahlendes Licht getaucht, die Augen weit aufgerissen und übertrieben groß.

„Pfingsten nennt er das Bild“, hätte einer der Diensthabenden auf Nachfrage

geantwortet.

Der Mann hatte das Bild für die Anstaltskirche gemalt, durfte es aber dort nicht

aufhängen, weil er nur Mitgefangene gemalt hatte, und zwar die

allerschlimmsten – die sogenannten Schwerverbrecher!

Auf Nachfrage, warum er die Sträflinge gemalt habe, da doch die Männer beim

Pfingstereignis alle bekehrt worden seien, meinte er wohl etwas aufgeregt:

„Aber an Pfingsten ist alles anders geworden. Die Frommen brauchen diese

Erkenntnis nicht so sehr. Doch denen, die an sich verzweifeln, muss man

zeigen, dass ein neuer Anfang möglich ist und dass durch das Wirken des

Geistes Gottes auch Sünder radikal umgewandelt werden können.“

Und als er gefragt wurde, weshalb er sich gerade die Schlimmsten der

Mitgefangenen ausgesucht habe, um sie auf das Bild zu bringen, hätte der

geantwortet: „Pfingsten ist ein Wunder. Die kleinen Vergehen kann auch die

eigene Frau ändern, die ändert mitunter sogar der Gefängnisaufenthalt. Aber

die ganz großen, die kann nur Gott ändern.“

Und dabei hätte er wortlos auf eine Stelle des Bildes geklopft, in die er sich

selbst mit hineingemalt hatte.

Liebe Ordensgeschwister! Wenn wir in diesen Wochen den Leib des Herrn bei

einer Fronleichnamsprozession der Öffentlichkeit zeigen, dann tun wir das,

weil durch seine Gegenwart und Seine Hingabe sich alles geändert hat. Wir

sind als Menschheitsfamilie in die große Gemeinschaft des Vaters und des

Sohnes durch seinen Geist hineingezogen. „Damit alle eins sind, wie Du Vater

in mir bist und ich in ihnen bin“, sagt Jesus im Johannesevangelium.

Ob es uns bewusst ist oder nicht. ER führt uns zusammen zu seinem Leib und

will, dass wir Nahrung und Speise auch für alle Völker, ja für die ganze

Menschheitsfamilie sind. Das ist die Aufgabe der Kirche und bei dieser großen

Aufgabe dürfen wir als Ordensfamilie mithelfen, jeder und jede mit den Gaben

die zur Verfügung stehen.

OESSH - Deutsche Statthalterei

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