Impuls: Abt em. Pater Winfried Schwab OSB, Prior der Ordensprovinz Südwestdeutschland
Liebe Ordensgeschwister!
Hand aufs Herz: Wer von uns hätte wohl vor zwei oder drei Monaten auch nur einen Cent darauf gewettet, dass im Gaza-Krieg ein Waffenstillstand möglich ist? Wer hätte geglaubt, dass innerhalb eines einzigen Tages alle noch lebenden israelischen Geiseln aus Palästinenserhand freikommen? Ich jedenfalls nicht, ganz im Gegenteil. Als das Unmögliche dann doch Wirklichkeit wurde, meldete sich sofort der Aber-Geist – zumindest bei mir. Wer weiß, wie lange das hält, ein Waffenstillstand ist kein Friede, wahrscheinlich wird danach alles noch viel schlimmer …
Wir stehen vor einem Grundproblem christlichen Glaubens: dem (mangelnden) Vertrauen auf Gottes Wirken. Handelt er nicht sofort, erhört er anscheinend nicht unser Gebet – obwohl er verspricht: „Amen, amen, ich sage euch: Was ihr vom Vater erbitten werdet, das wird er euch in meinem Namen geben.“ (Joh 16,23). Handelt er doch, so zweifeln wir an der dauernden Wirksamkeit des Eingreifens oder wünschen uns oft einen anderen Ausgang. Wie auch immer: Gott kann es uns Menschen nicht leicht recht machen.
Vielleicht ist es aber an der Zeit, sich erst einmal zu freuen, dass Gott das Gebet um Frieden erhört hat – trotz unserer Zweifel. Zu anderer Zeit, an anderem Ort, unter anderen Umständen als erwartet – aber umso staunenswerter! Oder, um es mit Johann Philipp Neumann im Gloria der Deutschen Messe von Franz Schubert zu formulieren: „Staunen nur kann ich, und staunend mich freu’n; Vater der Welten! Doch stimm’ ich mit ein: Ehre sei Gott in der Höhe!“
Kehrt der Friede in der Welt ein, so geschieht das zur größeren Ehre Gottes. Lesen wir das Johannes-Evangelium weiter, so gibt es uns den entscheidenden Hinweis: Bitten alleine genügt nicht. Jesus mahnt stattdessen: „Bis jetzt habt ihr noch um nichts in meinem Namen gebeten. Bittet, und ihr werdet empfangen, damit eure Freude vollkommen ist.“ (Joh 16,24). In SEINEM Namen zu bitten heißt eben nicht, eigene Wünsche und Bedürfnisse in den Vordergrund zu stellen, sondern zuerst nach dem Willen Gottes zu fragen. Und sich dann in einem zweiten Schritt zu fragen: Was kann ich selbst dazu beitragen, um in SEINEM Sinn die Welt zu verändern und zu verbessern?
Bitten wir so, wie es Jesus sich wünscht, werden wir nicht nur empfangen, sondern unsere Freude wird vollkommen sein. Welch wunderbarer Gedanke: Nehmen wir uns Gottes Wort zu Herzen und erfüllen es, dann werden wir reich beschenkt!
In diesem Sinne: Lassen wir nicht locker, den Willen Gottes für uns ganz persönlich zu erforschen und ihn umzusetzen – zu SEINER Ehre. Dann ist uns vollkommene Freude versprochen!
