In seinem Impuls zum Neujahrstag geht Spiritual Bischöflicher Geistlicher Rat Cfr. Matthias Effhauser, Prior der Komturei St. Wolfgang Regensburg, auf das Hochfest der Gottesmutter Maria ein.

Die Katholische Kirche feiert am ersten Tag des bürgerlichen Jahres das Hochfest der Gottesmutter Maria. Sie begleitet uns also in dieses neue Jahr hinein. Dass sie am Anfang steht, halte ich für eine gute Wahl!

Für mich ist Maria ein Beispiel dafür, wie man eigene Lebensprogramme loslassen kann und muss und herausgefordert ist, sich dem Leben mit all seinen Überraschungen zu stellen und ihm das Beste abzugewinnen. Die Gottesmutter verdeutlicht mir: Auch wenn sich Pläne nicht erfüllen, bedeutet das nicht den Zusammenbruch. Es kommt dann darauf an das Leben nach vorne zu leben, vielleicht mit einem Plan B, aber nicht in der Rückschau zu erstarren.

Die Lebensgeschichte Mariens zeigt: Sie kann Dinge nicht nur geschehen lassen, sondern sie lässt sich auch Zeit in der Beurteilung und Betrachtung dieser Geschehnisse. Maria nimmt sich immer wieder Zeit. Sie bewahrt alles in ihrem Herzen, sie sammelt Erfahrungen und denkt über zurückliegende Ereignisse nach. Sie fügt sie ein in die Geschichte ihres Lebens. Sie kann das Neue und auch Überraschende integrieren, aufnehmen und annehmen. Alles Weitere liegt für sie in der Zukunft. In der Zukunft mit Gott. Aus dieser Zeit wird Maria das Beste machen. Machen müssen. „Drauflos leben“ mit einem Gottesprogramm, dem sie zugestimmt hat.

Auch später läuft es für sie ganz anders als nach Plan. Der Gottessohn mit seinem „Lebensprogramm“ wird ihr Leben immer wieder kreuzen und Maria wird sich wiederum fügen. Leicht war es nicht. Maria war eine, die diese Herausforderungen angenommen hat, mit Gottes Hilfe.

Mit unerwarteten Änderungen umgehen

Maria steht am Jahresanfang. Ich halte das für eine sehr gute Wahl! Sie kann mir zeigen, was es heißt mit unerwarteten Änderungen in meinem Lebensprogramm umzugehen. Verzwickte Situationen gelassen zu tragen und getrost in die Zukunft zu schauen. Das Programm anzunehmen, das ein anderer für mich auflegt: Gott. Auch dann, wenn er es mir nicht gerade leicht damit macht!

Der Jahreswechsel bietet sich seit jeher an, Pläne zu schmieden und Programme zu entwerfen. Manch einer wird angesichts der enormen Herausforderungen, die 2023 in der Familie oder am Arbeitsplatz anstehen werden, besonders nachdenklich. Trotz oder gerade angesichts solcher bewegten Zeiten: Viele von uns haben mit diesem neuen Jahr etwas vor und machen gerne Zukunftspläne. Um der vor ihnen liegenden Zeit Gestalt, Aussehen zu geben. Vielleicht im Glauben, so besser gerüstet zu sein für böse Überraschungen und unvorhergesehene Weichenstellungen, die ihnen in die Quere kommen könnten. Denn wie hat es jemand einmal so formuliert: „Die Zeit ist eine Schneiderin, die sich auf Änderungen spezialisiert hat.“

Der ein oder andere Plan steht zwar schon! Ganz sicher wird nicht alles rund laufen. Die Ereignisse dieses Jahres werden uns den einen oder anderen Strich durch die Rechnung machen.

Die wirkliche Herausforderung

Die wirkliche Herausforderung heißt: Ich muss mich dann auf einen anderen Plan erst einmal einlassen können und auch wollen.

Genau an diesem Punkt kann mir Maria eine Orientierungshilfe sein. Denn sie hat immer wieder auf veränderte Lebenssituationen reagieren müssen.

Was kann ich mir von ihr abschauen? Wenn sich meine Vorhaben und Pläne nicht realisieren lassen, dann geht zunächst einmal die Welt nicht unter. Dann kommt es doch eher darauf an, meine Gedanken zu ordnen, bedächtig zu sein und zu überlegen: Wie geht es weiter?

Maria hatte in dieser Frage enormes Gottvertrauen. Vertrauen in seine Führung. Es kommt für mich darauf an, ob ich mich wie sie seinem Führungsanspruch überlassen kann. Ob ich Gott über den Weg traue!

Mein Vertrauen in die Führungskraft Gottes wird davon abhängig sein, ob ich aus meiner Erinnerung Erfahrungen abrufen kann, bei denen ich seine führende Hand erlebt habe. Aber: Habe ich überhaupt ein solches „Erinnerungskonto“ der Erfahrungen mit Gott in meinem Leben angelegt? Und kann ich darauf zurückgreifen?

Manche Programmänderungen und Weichenstellungen in meinem Leben verlangen schlichtweg Zeit, die ich mir mit ihnen lassen muss. D.h. also nicht gleich alles Neue und Herausfordernde zu verwerfen und für unmöglich zu erklären, nur weil es nicht zu passen scheint.

Der Theologe Dietrich Bonhoeffer spricht dabei ein grundsätzliches Problem an:

„Da Zeit das kostbarste, weil unwiederbringliche Gut ist, über das wir verfügen, beunruhigt uns bei jedem Rückblick der Gedanke etwa verlorener Zeit. Verloren wäre die Zeit, in der wir nicht als Menschen gelebt, Erfahrungen gemacht, gelernt, geschaffen, genossen und gelitten hätten.“

Schon jetzt weiß ich, dass es mir viel abverlangen wird, gewisse Erfahrungen und außerplanmäßige Umwege nicht als vertane oder gar verlorene Zeit zu deklarieren, nur weil sie nicht nach meinen Vorstellungen verlaufen sind.

Gottgelassenheit

Maria erscheint mir bei allem, was sie erlebt, als eine gelassene und ruhige Frau. Vielleicht wird der eine oder andere jetzt sagen: Sie konnte sich das leisten. Was blieb ihr schon anderes übrig? Richtig!

Stimmt das aber nicht im Grunde auch für mein Leben? Ich darf mir ruhig mehr Gelassenheit gönnen. Auch und gerade, wenn ich Pläne für mein Leben habe. Vieles habe ich doch nicht im Griff. Ich muss das Leben geschehen lassen, weil ich gar keine andere Wahl habe. Und dann versuchen, das Beste daraus zu machen. Alles andere nützt mir nichts. Vor allem dann, wenn sich Pläne über Nacht, von heute auf morgen, ändern.

Alles, was kommen wird, wollen wir also unter den Segen Gottes stellen. Unser Leben in wahrem Gottvertrauen führen: Er hat mich im Blick, er schaut auf mich.

Wäre das ein Ansatz für mein Jahresprogramm? Für mein Leben als Christin, als Christ?

Ich bitte Gott, dass er mein Leben mit all meinen bescheidenen Plänen und Programmen im Blick behält. Dass er ein Auge auf mich wirft, so wie er es mit Maria getan hat.

Ich nehme mir nicht anders vor als das: ein Leben unter seinen Augen und unter seiner Führung zu versuchen. Was auch kommt, ich will mit seiner Hilfe das Beste daraus machen. Aus dem, was die Zeit mir abverlangt.

An diesem einen Plan möchte ich festhalten, so gut es geht! Das Lebensprogramm Gottes für mich aus seiner Hand anzunehmen.

Auch Maria hatte nur diesen Plan. Immer wieder Antworten zu versuchen, wo sie angefragt war. Nicht eigene Programme durchzuboxen, wenn anderes angesagt war, sondern „drauflos zu leben“. Zu leben unter den Augen Gottes, unter seinem Segen, seinem Schutz und mit seiner Hilfe.

Segenszusage

Am Beginn des neuen Jahres 2023 begleitet uns alle der Segen, der uns aus dem Buch Numeri zugesprochen wird:

„Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Frieden“ (Num 6,24-26).

Spiritual Bischöflicher Geistlicher Rat Matthias Effhauser ist Prior der Komturei St. Wolfgang, Regensburg

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