Die Vorsitzende unserer Heilig-Land-Kommission, Csr. Cornelia Kimberger, erkundigte sich bei Sr. Gabriele, der Administratorin des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem, wie es den Menschen ihres Vikariats in Zeiten des Krieges zwischen Israel und Gaza ergeht.

Mitte dieses Jahres wurde Confrater Dr. Nikodemus Schnabel zum Abt der Benediktiner auf dem Berg Zion geweiht. Als seinen Nachfolger in das Amt des Patriarchalvikar für Migranten, Asylanten und Flüchtlinge (VMAS) ernannte Seine Seligkeit Patriarch Pierbattista Kardinal Pizzaballa, Fr. Matthew Coutinho. Als Administratorin für das Vikariat, das sich um etwa 90.000 katholische Christen kümmert, bestimmte der Patriarch die Benediktinerin Sr. Gabriele Penka. Sie ist somit für das Rahel Center in Jerusalem und das Pastoralzentrum „Our Lady of Valor“ in Tel Aviv zuständig.

Die Vorsitzende unserer Heilig-Land-Kommission, Csr. Cornelia Kimberger, erkundigte sich bei Sr. Gabriele, wie es den Menschen ihres Vikariats in Zeiten des Krieges zwischen Israel und Gaza ergeht. Christen aus Ihrem Vikariat sind in israelischen Haushalten oder für Feldarbeiten, unter anderem auch in den Kibbuzim im Süden Israels, nahe am Gazastreifen, angestellt. Der Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 betraf auch Angehörige des Vikariats.

Was empfinden Sie persönlich im Moment?

„Es ist nicht einfach, diese Zeiten hier in Israel und Palästina auszuhalten. Die unfassbare Gewalt, die Erleichterung angesichts der Feuerpause – bei gleichzeitiger Anspannung, ob die Übergabe von Geiseln und Gefangenen wohl wie vereinbart stattfinden kann. Die bange Frage nach dem „Danach“… Zusammen mit dem St. James Vikariat der hebräisch-sprachigen Katholiken erleben wir die Spannung, die dieser Konflikt auch im Inneren der Kirche bedeuten kann: die direkten christlichen Opfer im Gazastreifen, aber auch alle, die unter der Kriegssituation leiden, in der Westbank und in Israel – christliche Opfer des Überfalls des 7. Oktober.“

Messe für getötete Migranten (c) oessh.net, Sr. Gabriele Penka, OSB

Wie stellt sich im Moment die Situation für Migranten in Israel dar?

„Einige Dutzend philippinische junge Erwachsene kämpfen auf Seiten der israelischen Armee. Manche erhielten die Staatsbürgerschaft, da ein Elternteil Israeli ist. Manche gehören zu den Jahrgängen „illegaler“ Migrantenkinder, die nach langem Ringen eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung erhielten und somit auch Wehrdienst leisten konnten. Für sie ein erstrebenswertes Zeichen des Angekommen Seins und des Dazugehörens, auch in Kriegszeiten. Für die Mütter und Familien nun eine Zeit des bangen Hoffens, dass ihren Kindern während der Kämpfe im Gazastreifen und an der Grenze zum Libanon nichts geschehen wird.“

Gab es beim Angriff der Hamas auch Tote und Geiseln unter den Migranten?

Erinnerung an getötete Migranten (c) oessh.net, Sr. Gabriele Penka, OSB

„Zu Beginn des Monats hielten wir in unserem Vikariat Totengedenken – dieses Jahr vor allem auch für die 4 philippinischen Pflegekräfte, welche am 7. Oktober 2023 umkamen (siehe auch angehängte Bilder). Der einzige Mann unter ihnen hinterließ seine im 9. Monat schwangere Ehefrau. Die Familie seines – ebenfalls getöteten – Arbeitgebers hat daraufhin eine sehr erfolgreiche Spendenaktion organisiert, um die Witwe und das Kind zu unterstützen. Vermutlich sind zwei Philippinos in den Gazastreifen verschleppt worden. Einer der Geiseln wurde am 25. November 2023 nun freigelassen, auf die Rückkehr der anderen hoffen und warten wir noch.“

Wurden die Migranten nach dem Terrorangriff evakuiert?

„Mehrere Arbeitsmigranten unterschiedlicher Herkunftsländer (Philippinen, Indien, Sri Lanka, China) wurden während des Angriffs der Hamas am 7. Oktober 2023, oder durch den folgenden Raketenbeschuss verletzt. Vereinzelt besteht nach wie vor Unklarheit über den Verbleib von Personen. Zusammen mit ihren Arbeitgebern wurden Arbeitsmigranten aus dem unmittelbaren Umfeld des Gazastreifens (und der Grenze zum Libanon) bis auf weiteres in Hotels evakuiert.“ Ein weiteres Bild zeigt unsere beiden aus Sri Lanka stammenden Schwestern und den Priester der Gemeinde beim Besuch evakuierter Arbeitsmigranten.

Evakutierte Migranten aus Sri Lanka (c) oessh.net, Sr. Gabriele Penka, OSB

Wie wird den Migranten nach dieser furchtbaren Attacke der Hamas geholfen?

„Viele sind durch die Geschehnisse sehr mitgenommen und verunsichert. Wir versuchen, ihnen mit unseren pastoralen Mitarbeitern ein offenes Ohr und die notwendige Unterstützung zukommen zu lassen. Auch die jeweiligen Botschaften, vor allem die der Philippinen, sind zur dauerhaften Unterstützung ihrer Landsleute sehr aktiv, um ein psychosoziales Netzwerk aufzubauen. Ebenso bieten sie auch eine Rückkehr in die Heimat an. Jedoch entschied sich die überwiegende Mehrheit der Migranten dazu, in Israel zu bleiben. Nur von der am stärksten betroffene Gruppe der Arbeitsmigranten aus Thailand entschied sich ca. ein Drittel (knapp 10.000 Personen) für die Ausreise. Sie hatten beinahe 40 Getötete und 20-25 Entführte zu beklagen. Über den Verbleib von ca. 15 weiteren Thailändern gibt es noch keine Erkenntnisse. Da es unter ihnen aber keine Katholiken gibt, sind wir nicht im direkten Kontakt. Unsere aus Sri Lanka stammende Gemeinde hat enge und gute Beziehungen zu ihren buddhistischen Landsleuten und nahmen Anteil am Tod von zwei buddhistischen Pflegekräften, die im Zuge des 7. Oktober 2023 ermordet wurden. „

Arbeiten die Arbeitsmigranten im Moment noch im Süden Israels?

„Einige der Arbeitsmigranten beteiligen sich nun an freiwilligen Einsätzen in der Landwirtschaft in der Umgebung des Gazastreifens – zusammen mit vielen israelischen Freiwilligen. Es ist Erntezeit – die Freiwilligen bemühen sich, den landwirtschaftlichen Betrieben zu Hilfe zu kommen und zumindest einen Teil der Ernte zu retten.“

Wie reagieren die Gemeinden des Vikariats auf Raketenangriffe aus Gaza?

„Der Zivilschutz der israelischen Streitkräfte kam in den letzten Tagen auf unsere Gemeinden zu. Hierbei boten sie ihnen an, sie über die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen im Kriegsfall und bei Raketenalarm zu informieren. Dies sowohl mit Blick auf die persönliche Sicherheit wie auch in der Sorge um ältere Gemeindemitglieder und Menschen mit Einschränkungen. Leider haben wir darin schon Übung. Die Anwesenden waren allerdings auch dankbar für die Anerkennung, welche ihnen für ihren aufopferungsvollen Dienst und ihre Solidarität mit Israel in diesem Zusammenhang ausgesprochen wurde. Wir würden uns wünschen, dass sich diese Anerkennung ausweitet und auch in normalen Zeiten sichtbarer wird. Leider haben wir auch von negativen Fällen gehört. Arbeitsmigranten, vor allem aus der Baubranche oder dem Landwirtschaftssektor, welche die Grenzregion um den Gazastreifen verlassen wollten, wurden teilweise von ihren Arbeitgebern daran gehindert.“

Werden die Babys und Kinder in Jerusalem noch betreut?

„Nach einer Pause konnten wir die Jerusalemer St. Rachel Kinderkrippe Ende Oktober wieder öffnen. Unsere internationalen Volontäre waren zu Beginn des Krieges aufgerufen worden, in ihre jeweilige Heimat zurückzukehren. Die Kinderkrippe zog zunächst in die nun fast verlassene Unterkunft der Volontäre um, da allein dort relativ (sichere) Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. Inzwischen sind wir wieder in den angestammten Räumlichkeiten und vermissen unsere Volontäre, die einen wichtigen Beitrag in Jerusalem leisten, sehr. Stundenweise können wir Volontäre gewinnen, die in Israel leben, jedoch ist die Personalsituation angespannt.“

Wie geht es den Babys der Migranten in Tel Aviv?

„In Tel Aviv, das deutlich stärker unter der Bedrohung von Raketenangriffen leidet, versammeln sich die vier Krippengruppen nach wie vor in einem öffentlichen Bunker. Dieser wird uns von der Stadtverwaltung zur Verfügung gestellt. Weder „Our Lady Woman of Valor“, wo sich unsere Kapelle und zwei Kinderkrippengruppen befinden, noch „St. Joseph“, wo zwei weitere Gruppen untergebracht sind, verfügen über einen Schutzraum, in den sich bei Alarm alle Kinder mit den Erzieherinnen flüchten könnten. So war der Umzug in den Bunker die einzige Möglichkeit, die Krippe zu öffnen und den Eltern damit die Möglichkeit zu geben, wieder zu arbeiten und ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Viel Engagement und Unterstützung haben wir von der UNITAF (eine israelische NGO, die sich vor allem um die Erziehung der Kinder von Migranten und Asylsuchenden kümmert) erhalten. Unsere unter Leitung von Sr. Nadeeka stehenden Erzieherinnen in Tel Aviv, die alle selbst Migrantinnen oder Asylsuchende sind, haben die Bunkerzeit so professionell wie möglich gestaltet. Nun hoffen wir darauf, dass die für Anfang Dezember geplante Rückkehr in unsere eigenen Räumlichkeiten tatsächlich stattfinden kann.“

Sind die Migranten nun bedürftiger als vor dem Krieg?

„Die erzwungene Schließung zu Beginn des Krieges war mit einer großen Verunsicherung sowohl für unsere Mitarbeiterinnen wie auch für die Eltern verbunden. Es war nicht abzusehen, wie lange sie andauern würde. Zum Glück waren es nur knapp 3 Wochen, was die finanziellen Belastungen auf allen Seiten einigermaßen im Rahmen bleiben ließ. Allerdings sind einige Migranten und Asylsuchende zusammen mit ihren Familien durch die aktuellen Ereignisse auf finanzielle Unterstützung angewiesen, da sie ihre Arbeit verloren haben. Über unsere Kinder- und Jugendprogramme, und dank unserer pastoralen Mitarbeiter, ist unser Vikariat nahe an den Nöten und Bedürfnissen der Migranten. Wir sind bestrebt, ihnen die in der jeweiligen Situation notwendige und mögliche administrative und / oder finanzielle Hilfe zukommen zu lassen.“

Welche Hoffnung haben Sie, Sr. Gabriele?

„Nach wie vor ist alles sehr instabil, aber in Gedanken und Gebeten sind wir vor allem auch bei den Menschen in Gaza. Wir hoffen, dass sich trotz des gegenteiligen Anscheins bald eine Zukunft eröffnen möge, die allen Menschen, die diese Region ihr (vorübergehendes) Zuhause nennen, ein Leben in Sicherheit und Frieden erlaubt….“

OESSH Deutsche Statthalterei

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