Am 18. Januar 2024 traf sich die Komturei St. Martin Bonn und tauschten sich zum Thema Emanuel Kant aus.

Emanuel Kant – und die offenen Fragen

Am 18. Januar 2024 trafen sich zum Auftakt des Neuen Jahres in fröhlicher Runde 18 Angehörige der Komturei St. Martin in der Bundeskunsthalle Bonn zu einem für den Orden der Damen und Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem außergewöhnlichen Thema. Sie beschäftigten sich mit dem Philosophen Emanuel Kant. Drei Jahre nach dessen Tod 1824 wurde per Dekret vom 11. Juni 1827 sein Hauptwerk „Kritik der reinen Vernunft“ auf den Index Romanus gesetzt, die Lektüre des Werkes galt zeitgenössischen Katholiken als schwere Sünde. Erst nach dem Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils konnte mit der Abschaffung des Index librorum prohibitorum 1966 die katholische Welt sich mit Emanuel Kant befassen. Unter der Leitung des Bonner Leitenden Komturs Cfr. Norbert Erlinghagen waren die Ordensgeschwister aufgefordert, sich angstfrei mit Kant zu beschäftigen.

Kantsche Selbstzweckformel führt zur Selbsterkenntnis

Aufmerksam betrachtet, führte die reich an Bildern ausgestattete Ausstellung in Bonn zu der Erkenntnis, dass das Kantsche Denken die freiheitlichen Potenziale des christlichen Glaubens und das Nutzen des Verstandes gut freizulegen vermark. So fordert die Rückbesinnung auf Emanuel Kant nahezu dazu heraus, religiöse Fragen, nach einem sinnerfüllten und gelungenen Leben, selbstbewusst in einer oft als gottlos empfundenen Gegenwart zu stellen. Zweifelsfrei wurde den Anwesenden klar, dass Kant auf dem Fundament seines christlichen, pietistisch-moralischen Glaubens gedacht hat, und dass er das Christentum gegenüber jeder anderen Religion bevorzugte. Er selbst lebte nahezu bodenständig, respektvoll und bescheiden. Lukrative Angebote zahlreicher Universitäten im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation lehnte er zugunsten seiner Tätigkeit in Königsberg ab. Ab und an gönnte sich der Philosoph den Luxus von Senf und Zucker. Emanuel Kant legte Wert auf gute Kleidung, was die Besucher aufgrund seiner elterlichen Herkunft aus dem Handwerkermilieu und seines sozialen Aufstiegs gut nachvollziehen konnten.

Diese Schilderung der alltäglichen Dinge und zeitgenössischen Kontexte hob den Denker von seinem Sockel und erschuf ein lebhaftes Bild des Philosophen, der zeitlebens auch ein Sonderling blieb.

(c) oessh.net/Beate Johlen-Budnik

Was darf ich hoffen?

Gibt es einen Gott? Können wir wirklich frei sein? Wie wird sich unsere Welt entwickeln?

Das waren die offenen Fragen, die sich am Ende des Ausstellungsbesuches ergaben. Die Einsicht kam, der Glaube an die Existenz Gottes ist auch in der Gegenwart nicht erzwingbar. Dass Menschen Kunst erschaffen und wahrnehmen, zeigt jedoch ihre Freiheit. Der Mensch ist von Natur aus nicht gleichgültig. Es gibt Gründe zu hoffen, dass sich die Welt zum Guten entwickeln wird. Aber die Ordensgeschwister waren in der Bundeskunsthalle auch aufgerufen, diese Welt aktiv mit zu gestalten.

In der „Kritik der praktischen Vernunft“ 1788 beschrieb Kant, wie man als Mensch handeln soll. Allem liegt, so Kant, ein moralisches Sittengesetz zugrunde. Die Vernunft gibt Handlungsanweisungen. Im selbstbestimmten Handeln liegt die Würde des Menschen. Jedoch gilt es nach Ansicht des Philosophen, die Freiheit nicht nach eigenen Interessen, hegemonial auf Kosten anderer auszuleben. Dieser Gedanke hat an Aktualität nichts verloren. Er führte die Ordensgeschwister abschließend zu der Erkenntnis, dass nur durch die Wahrung der Grenzen anderer Menschen, Glaubensgemeinschaften und Staaten friedlich nebeneinander bestehen können.

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