Genüsslich

„Das Ziel des geistlichen Lebens – so sagen es die mittelalterlichen Theologen – ist … das Genießen Gottes.“ Diesen Satz las ich in der Zeitschrift „Christ in der Gegenwart“ in der Ausgabe am 1. Fastensonntag. Diese kurze Aussage finde ich großartig.

Gott gönnt

Wenn das Genießen Gottes das Ziels unseres christlichen Lebens ist, dann können wir sagen: Gott gönnt uns Menschen Gutes. Es bleibt dabei, dass Gott für uns Menschen unerforschlich und unbegreiflich ist und dass es eine „dunkle Seite Gottes“ gibt. Das „Genießen“ setzt einen klaren Akzent: Gott ist uns in erster Linie zugewandt und will, dass es uns gut geht. Wir dürfen sogar sagen, dass er sich selber uns gönnt. Wir sind von seiner Liebe umfangen, denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir (vgl. Präfation für Sonntage VI und vgl. Apostelgeschichte 17, 28). Gott bedeutet für uns „Genuss“.

Menschen dürfen genießen

Wenn wir Gott genießen dürfen, dann können wir auch neu über uns selber nachdenken. Nicht der überaus strenge, möglicherweise gegen die menschliche Natur handelnde Asket ist das Vorbild, sondern der Mensch, der sich einübt, zu genießen. Unser Gebet ist dann weniger eine Pflichtübung, sondern eher eine Zeit, um sich der Gegenwart Gottes bewusst zu werden, sich von Gottes Liebe umfangen zu lassen, „Gott zu genießen“. Die Verse des Antwortpsalms dieses Sonntags (aus Psalm 19) laden dazu ein, darüber nachzudenken:

„Die Weisung des Herrn ist vollkommen, sie erquickt den Menschen.

Das Zeugnis des Herrn ist verlässlich, den Unwissenden macht es weise.

Die Befehle des Herrn sind gerade, sie erfüllen das Herz mit Freude.

Das Gebot des Herrn ist rein, es erleuchtet die Augen. …

Die Urteile des Herrn sind … süßer als Honig, als Honig aus Waben“.

Fastenzeit als Übungszeit

Mit dem Stichwort „Fastenzeit“ verbinden viele zunächst das „Nicht-Genießen“. Mir hilft folgende Überlegung: Wenn ich Zeiten der Stille für mich einplane, kann ich Musik ganz neu entdecken. Wenn ich auf meine Lieblingsspeise über einen gewissen Zeitraum verzichte, kann ich sie anschließend viel besser genießen. Die Fastenzeit kann daher eine Zeit sein, das Genießen neu in den Blick zu nehmen.

„Das Ziel des geistlichen Lebens – so sagen es die mittelalterlichen Theologen – ist … das Genießen Gottes.“

OESSH Deutsche Statthalterei

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