Liebe Ordensgeschwister!

Zwei Wochen sind seit Pfingsten vergangen, eine seit dem Fest der Heiligsten Dreifaltigkeit. Der „kirchliche Alltag“ hat uns wieder. In der Heiligen Schrift lesen wir eine anscheinend alte und doch stets aktuelle Erzählung: Der Evangelist Markus beschreibt, wie Jesus einen Kranken heilen will und das am Sabbat. (Mk 2, 23 – 3, 6). Zuvor hatten hungrige Jünger Gläubige gegen sich aufgebracht, weil sie unerlaubt Ähren von den Halmen eines Kornfeldes abgerissen hatten. Die Stimmung war gereizt, und dann fragt Jesus im Tempel auch noch, ob er dem Leidenden helfen dürfe. Von seinen Gegnern heißt es: „Sie aber schwiegen.“ Religiöse Fanatiker, Neider, Zweifler und Besserwisser wollen ihn töten. Jesus erkennt das – reagiert aber so ganz anders, als es zu erwarten wäre. Weder zuckt er aus Angst vor möglichen Konsequenzen zurück, noch stellt er seine Gegner bloß. Vielmehr heißt es: „Und er sah sie der Reihe nach an, voll Zorn und Trauer über ihr verstocktes Herz.“ Sprachlosigkeit herrscht unter den Synagogenbesuchern. Was sollen sie auch gegen seine Argumente einwenden? Wieder, wie so oft im Leben, gilt: Mein Urteil steht fest, kommen Sie mir nicht mit Fakten! Sprachlosigkeit ist ein Phänomen auch unserer Zeit. Diskussionen, wenn überhaupt geführt, verrohen zusehends. Phrasen, in entsprechender Lautstärke vorgebracht, überdecken alles.

Einen anderen Weg geht der heilige Benedikt. Seine Ordensregel beginnt mit dem Satz: „Höre, mein Sohn, auf die Weisung des Meisters, neige das Ohr deines Herzens, nimm den Zuspruch des gütigen Vaters willig an und erfülle ihn durch die Tat!“ Er stellt nicht das Reden an den Anfang, sondern das Hören, Zuhören, Hinhören, In-sich-hineinhören. Ausdrucksstark erinnert er daran, dass Gott dem Menschen etwas sagen möchte – wenn er denn nur dazu bereit ist. Keine Zwangsbeglückung oder Drohbotschaft, vielmehr ein „Zuspruch des gütigen Vaters“. Herzlichkeit und Wärme, Hoffnung und Zuversicht liegen in dieser Formulierung!

Wie hätte sich die Begegnung zwischen Jesus und den Pharisäern entwickeln können, wäre er auf offene Ohren gestoßen. Auf Menschen, die den Zuspruch Gottes willig annehmen und ihn durch die Tat erfüllen – oder es zumindest versuchen wollen. Der Tempel wäre erfüllt gewesen von echtem Gotteslob und jubelnden Herzen, von Dankbarkeit und Freude statt Schweigen, Verstocktheit und Mordlust…

Und heute? Hier und jetzt? Leicht lässt sich die hypothetische Szene im Konjunktiv beschreiben, es betrifft ja die anderen. Aber sind immer nur die gemeint? Vielleicht lohnt es sich doch, einmal in den Spiegel zu schauen…

Text: Cfr. Pater Winfried Schwab OSB, Prior der Ordensprovinz Südwestdeutschland

OESSH Deutsche Statthalterei

Kostenfrei
Ansehen