Leben aus einer neuen Identität

Es gibt zwei Szenen im Leben Jesu, die sich trotz aller Unterschiedlichkeit doch sehr ähnlich sind. Es ist zum einen die Szene der Verklärung Jesu auf dem Berg Tabor, von der der heutige zweite Fastensonntag berichtet, und zum anderen ist es die Szene im Garten Gethsemane in der Nacht vor dem Sterben Jesu. Beide Male ist Jesus mit nur drei seiner Apostel zusammen: nämlich mit Petrus, Johannes und Jakobus. In beiden Szenen sehen wir Jesus inbrünstig beten, und in beiden Szenen verwandelt sich, jedoch ganz unterschiedlich, das Aussehen Jesu.  

Auf dem Berg Tabor sind das Gesicht und das Gewand Jesu leuchtend weiß. Im Garten von Gethsemane scheint alles dunkel zu sein, und Jesus ist von Todesangst erfasst, so dass er Blut schwitzt. Auch wenn die beiden Augenblicke im Leben Jesu unterschiedlich sind, so gibt es doch einen engen Zusammenhang. Und beide Szenen werden wiederum von einem Zeugen benannt, der somit auch zum Zeugen der Zusammengehörigkeit wird, nämlich von dem Verfasser der beiden Petrusbriefe (vgl. 2 Petr 1,16-19 und 1 Petr 2,21ff). Was aber ist das Gemeinsame der beiden Szenen im Leben Jesu, das der Petrusbrief bezeugt?    

Die Identität Jesu

Der Verfasser des zweiten Petrusbriefes beschreibt – sozusagen als Ohrenzeuge – das Geschehen der Verklärung: „Er (d.h. Jesus) hat von Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit empfangen; denn er hörte die Stimme der erhabenen Herrlichkeit, die zu ihm sprach: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe. Diese Stimme, die vom Himmel kam, haben wir gehört, als wir mit ihm auf dem heiligen Berg waren“ (2 Petr 1,17-18).

Das, was die Jünger auf dem Berg Tabor erlebt haben und von dem im Petrusbrief berichtet wird, ist die Offenbarung der Identität Jesu: Jesus ist der Sohn Gottes. Die Jünger vernehmen die Stimme aus dem Himmel, was so viel bedeutet, dass es wirklich Gott ist, der hier spricht. Das Wichtigste der Verklärung Jesu ist nicht die äußere Verwandlung, sondern das Wort Gottes, das zu hören ist.

Jesus, der selbst das Wort Gottes ist, lebt ebenso aus diesem Wort. Er lebt sein ganzes irdisches Leben aus der Zusage des Vaters, Sohn Gottes zu sein. Schon bei der Taufe im Jordan ist die Identität Jesu durch das Wort des Vaters offenbart worden. Nun wiederholt sich dieses Geschehen bei der Verklärung auf dem Berg Tabor. Auch wenn es sicherlich für Jesus selbst eine tiefe Erfahrung gewesen ist, um die Liebe seines Vaters erneut zu wissen, so ist das Geschehen wohl noch mehr für die ihn begleitenden Jünger eine wichtige Erfahrung. Denn als Zeugen der Herrlichkeit Gottes ist es ihre Sendung, auch anderen von dem zu berichten, was sie selbst erlebt und erfahren haben.

Die Identität eines jeden Christen

Die Identität Jesu zu beachten, bedeutet für den, der an Jesus glaubt, etwas über seine eigene Identität zu erfahren. Dabei geht es nicht um etwas, was durch Leistung zu erwerben ist, sondern um etwas, das als Geschenk anzunehmen und zu empfangen gilt. Es ist die Liebe, die Gott zum Menschen hat.

So wie Jesus während seines irdischen Lebens aus dieser Identität gelebt hat, sind auch wir Christen berufen, aus dieser Identität zu leben. Damit ist aber eine folgenreiche Aussage angesprochen, die auf die weitere Szene im Leben Jesu verweist und mit der eben genannten Szene verwandt ist. Es ist das Leiden Jesu in Gethsemane. Von Jesus Christus gilt, dass er nur auf Grund der Erfahrung seiner Identität den Weg des Leidens gehen konnte. Weil er um die Liebe seines Vaters wusste, konnte er das grausamste Leid aushalten und schließlich für die beten, die ihn an Kreuz schlugen. Für die Christen bedeutet das, aus diesem Beispiel Christi zu leben und „seinen Spuren“ (1 Petr 2,21) zu folgen. Und das heißt: „…seid barmherzig (…). Vergeltet Böses nicht mit Bösem oder Schmähung mit Schmähungen! Im Gegenteil: Segnet, denn dazu seid ihr berufen worden, dass ihr Segen erbt“ (1 Petr 2, 8b-9).

Das neue Leben

Auch in unseren Tagen gibt es unvorstellbares Leid in der Welt. Der Blick in den Nahen Osten macht uns das immer wieder deutlich. Dabei sind unter den leidenden Menschen Christen, Juden und Muslime.

Vielleicht ist es aber gerade die besondere Berufung der Christen, aus der neuen Identität zu leben, nämlich aus dem Wissen um die Liebe Gottes, die Gott keinem Menschen entzieht. Aus dieser Identität zu leben meint „Pilger der Hoffnung“ zu sein. Und es ist unsere besondere Berufung im Orden, für unsere Schwestern und Brüder im Heiligen Land zu beten und zu opfern, damit sie Zeugen dieser versöhnenden Hoffnung sein können.

OESSH Deutsche Statthalterei

Kostenfrei
Ansehen