Count your blessings!

Text: Cfr. Martin Birkenhauer, Prior der Komturei St. Matthias Trier

Der Palmsonntag ist auch heute noch in Jerusalem eine Unterbrechung: Als bei früheren Pilgerfahrten die Pilgerscharen aus Bethfage über den Ölberg nach Jerusalem strömten, da blieben für kurze Zeit die Uhren stehen: die ungeliebte Polizei machte den Weg für die Prozession frei, die Händler unterbrachen ihre Geschäfte. Und ein bisschen Spannung war auch in der Luft. Touristen schauten neugierig von ihren Kaffees auf. Was kommt denn da?

Lukas beschreibt uns den Palmsonntag als den Tag, an dem die „Schar der Jünger“, und das wird auch die Frauen betreffen, die mit Jesus auf dem Weg waren, laut wurde: Es war eine Art Bilanz, ein großes Erntedankfest: Für alles, was ihnen auf den drei Jahren mit Jesus geschehen war, für all das, was sie sehen und hören durften, lobten sie Gott. Das war eine ungewöhnliche Unterbrechung für die geschäftige Stadt, die wohl Opfer und Reinigung, Tempelgesänge und Gebete kannte und sicher auch den glücklichen Ausruf eines Menschen, dessen Gebete erhört wurden. Aber dass eine ganze Schar Gott deswegen lobt, weil ihr bewusst wird, mit wem sie da unterwegs ist: Das gab es schon lange nicht mehr.

Am eindrücklichsten war für mich die Unterbrechung, als die orthodoxe Palmsonntagsprozession in die katholische Ostermesse einbrach (abhängig vom orthodoxen Ostertermin). Die katholischen Gläubigen verstehen ihr eigenes Wort nicht mehr, während die Prozession das Grab umrundet. Der Patriarch hatte in weiser Voraussicht die Predigt auf Handouts verteilt. Zum Hochgebet ist dann alles wieder vorbei. So überrascht und überrumpelt wie ich werden sich vielleicht die Menschen des antiken Jerusalem gefühlt haben.

Unsere Palmsonntagsprozessionen sind dagegen wesentlich kleiner, kürzer und außerhalb unserer Kirchen – im öffentlichen Raum – schüchterner. Wie fühlt es sich eigentlich an, den Sohn Gottes zu loben, weil uns bewusst wird, mit wem wir da unser ganzes Leben lang unterwegs sind? Es könnte doch helfen, das einmal zu sammeln, was uns der Glaube an den Messias bis hierhin geschenkt hat.

Das Setting stimmt nach wie vor. Das Einzige, was noch fehlt, ist unsere Liste: Zähle die Segnungen des Glaubens ruhig mal auf! – Count your blessings!

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