„Aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis empor“ (Jes 11,1)
Vom 3. bis 5. Oktober 2025 feierte die Deutsche Statthalterei des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem ihre Herbstinvestitur in der traditionsreichen Domstadt Hildesheim. Zwölf Kandidatinnen und Kandidaten wurden feierlich in die Gemeinschaft aufgenommen.
Das Leitwort aus dem Propheten Jesaja – „Aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis empor“ (Jes 11,1) – prägte alle Feiern und Begegnungen. Es steht für Hoffnung, Erneuerung und für das Vertrauen darauf, dass Gott neues Leben entstehen lässt, wo Menschen nur noch ein Ende sehen.
Die Tage verbanden geistliche Tiefe, feierliche Liturgie und herzliche Gemeinschaft – Ausdruck eines Ordenslebens, das aus Gebet, Dienst und dem Geist der Hoffnung lebt.
Ein festlicher Auftakt
Mit einem feierlichen Empfang in der Dombibliothek begann am 3. Oktober, dem (35.!) Tag der Deutschen Einheit, das Investiturwochenende. Frau Dr. Monika Suchan, Direktorin der Dombibliothek und langjährige Mitarbeiterin im Bischöflichen Generalvikariat, begrüßte die Gäste und erinnerte an die geistliche und kulturelle Tradition des Domhofs, der seit Jahrhunderten Ort des Glaubens und des Lernens ist.
Statthalter Cfr. Dr. Michael Schnieders verband den Gedenktag mit dem Auftrag des Ordens:
„Wir sind berufen, unseren Glauben zu vertiefen, zu bekennen und in die Öffentlichkeit zu tragen. Einheit, Glaube und Verantwortung gehören zusammen.“
Mit diesen Worten setzte er den geistlichen Akzent für ein Wochenende, das gleichermaßen von Besinnung, Begegnung und Gemeinschaft geprägt war.
Vesper in St. Michaelis – Zeichen der Hoffnung
Am späten Nachmittag feierte die Gemeinschaft die feierliche Vesper in der Kirche St. Michaelis, einem der bedeutendsten Bauwerke Hildesheims und UNESCO-Welterbe. Das eindrucksvolle Deckengemälde mit dem Stammbaum Christi nahm das Leitwort der Investitur auf und verlieh der Feier eine besondere symbolische Tiefe.
In seiner Predigt deutete Cfr. Konsistorialrat Pfarrer Christoph Lindner, Prior der Komturei St. Oliver Hildesheim, das Bild vom „Baumstumpf Isais“ als Verheißung göttlicher Hoffnung:
„Wo wir nur Ende sehen, eröffnet Gott einen neuen Anfang.“
Er verband das Schriftwort mit den Heiligen Bernward und Oliver Plunkett, die als Bauherr, Hirte und Märtyrer für schöpferischen Glauben und Treue bis in die letzte Prüfung stehen.
„Christus ist der Reis, der aus dem Baumstumpf Isais emporwächst – und er ruft uns zum gemeinsamen Zeugnis aller Konfessionen auf.“
Die Vesper wurde so zu einer geistlich kraftvollen Einstimmung auf den weiteren Verlauf des Wochenendes.
Begegnung und Gemeinschaft
Im Anschluss an die Vesper kamen Mitglieder und Gäste im Tagungshotel zu einem geselligen Begrüßungsabend zusammen. In heiterer und zugleich festlicher Atmosphäre hieß Csr. Andrea Klotzbach-Weinhold die Anwesenden aus dem In- und Ausland willkommen. Die Begrüßungsansprache unterstrich den Gemeinschaftssinn des Ordens:
„Wir tragen das Jerusalemkreuz, ja – aber wir tragen auch einander.“
Bei anregenden Gesprächen und herzlichen Begegnungen wurde deutlich, wie stark Freundschaft und Vertrauen die Ordensgemeinschaft prägen. Der Abend war gekennzeichnet vom Übergang von der liturgischen Feier zu einem offenen und freundschaftlich-herzlichen Miteinander, das auch die kommenden Tage bestimmen sollte.
Vigil und geistlicher Impuls
Am späteren Abend versammelten sich die Kandidatinnen und Kandidaten zur Vigil in der Lambertikirche. Der Geistliche Zeremoniar der Deutschen Statthalterei, Cfr. Dompräpendat Dr. Wolfgang Hartmann, sprach über das Kreuz als Ort der Nähe Gottes:
„Das Leid ist real – doch gerade im Kreuz wird die Gegenwart Gottes erfahrbar.“
Die schlichte Atmosphäre und das gedämpfte Licht machten die Vigil für alle Teilnehmenden zu einem Moment der inneren Sammlung und persönlichen Besinnung. In besonderer Weise war dies beim Segnen der Kandidatinnen und Kandidatinnen mit dem Kreuz erkennbar – ein wahrhaft berührender, emotionaler Moment.
Am folgenden Morgen vertiefte Cfr. Hartmann bei der Kapitelversammlung im Gymnasium Mariano-Josephinum seinen geistlichen Impuls. Er erinnerte an den heiligen Franz von Assisi und rief dazu auf, Glauben und Lernen als untrennbare Einheit zu verstehen:
„Als Glaubende bleiben wir Lernende. Erinnerung, Kreuz und Friedensauftrag geben uns Orientierung für ein Leben aus dem Glauben.“
Kapitelsitzung der Deutschen Statthalterei
Die Kapitelsitzung am Samstagvormittag stand im Zeichen von Dankbarkeit, Verantwortung und Gemeinschaft. Cfr. Dr. Michael Schnieders eröffnete sie mit den Worten:
„Glaube, Hoffnung und Liebe – das ist unsere gemeinsame Sprache. Wer sie spricht, baut Brücken.“
In einer Atmosphäre des Vertrauens wurden Berichte aus den Kommissionen vorgestellt und personelle Veränderungen gewürdigt. Cfr. Domkapitular Dr. Martin Schomaker wurde als Vorsitzender der Kommission Spiritualität verabschiedet. Csr. Dr. Astrid Kreil-Sauer übergab ihr Amt im Sekretariat der Statthalterei an Csr. Margret Strake, bisherige Secretaria der Ordensprovinz Norddeutschland. Zum neuen Vorsitzenden der Kommission Spiritualität wurde Cfr. Monsignore Dr. Hansjörg Günther ernannt.
Die Sitzung verdeutlichte, wie sehr der Orden aus Kontinuität, Engagement und geistlicher Verbundenheit lebt. Die Versammlung nahm den extra zu diesem Anlass bereitgestellten Investiturstab als künftig von der Deutschen Statthalterei geschlechterübergreifend zu verwendenden Segnungsgegenstand aller zu Investierenden mit hoher Achtung und Respekt auf. Gerade Cfr. Norman Gebauer und seiner Frau Desirée, die für dieses überzeugend umgesetzte Ergebnis der Konsensgespräche unserer Statthalterei mit dem Großmeisteramt zollte die Gemeinschaft hohe Dankbarkeit.

Statio und Investiturgottesdienst
Die Statio fand im traditionsreichen Mariano-Josephinum statt. Cfr. Konsistorialrat Pfarrer Christoph Lindner, Prior der Komturei St. Oliver Hildesheim, erinnerte dabei an den heiligen Godehard, dessen Leben geprägt war von Erneuerung, Verkündigung und Fürsorge. Er rief die Anwesenden auf, „den Glauben mutig zu bekennen, ökumenische Schritte zu gehen und die Christen im Heiligen Land zu unterstützen“.
Daran schloss sich in der Basilika St. Godehard der feierliche Investiturgottesdienst an. Unter festlichem Orgelspiel und begleitet vom Chorgesang der Basilika erklang die „Missa festiva“ von Lorenz Maierhofer, die dem liturgischen Geschehen einen festlich-würdevollen Rahmen verlieh.
In seiner Predigt rief der Großprior der Deutschen Statthalterei, S. Em. Reinhard Kardinal Marx, die Anwesenden dazu auf, „Zeugen der Hoffnung“ zu sein.
Er erinnerte an den heiligen Franz von Assisi, der vor 800 Jahren im Heiligen Land den Dialog mit dem Sultan suchte:
„Franziskus wollte nicht gewinnen, er wollte begegnen. Sein Mut zur Friedfertigkeit war eine Revolution im Denken – und eine Botschaft, die heute aktueller ist denn je.”
Kardinal Marx sprach eindringlich über die Verantwortung des Glaubens in einer zerrissenen Welt:
„Der Krieg ist das größte Unglück auf Erden. Er verwüstet die Seelen der Menschen auf beiden Seiten.“
Mit Blick auf die Gegenwart sagte er:
„Frieden auf Erden ist denkbar – nicht endgültig, aber doch fragmentarisch. Das gelingt nur, wenn wir begreifen, dass wir eine Menschheitsfamilie sind.“
e und dem Bewusstsein, Teil einer weltweiten Glaubensgemeinschaft zu sein. Wie angedeutet, kam dem eigentlichen Aufnahmeakt mit Blick auf das erstmalige Verwenden des Investiturstabs, eine konisch zulaufenden, aus dunklem Holz gefertigten etwa 1,20 m langen Gegenstands, dessen oberes Drittel eine bergkristallene Kugel unterteilt, bevor der Stab in einem goldenen Jerusalemkreuz mündet, eine ganz besondere Bedeutung zu. Während dieses geschlechtereinheitlich praktizierten Verfahrens zeigte ein Ritter das bisher verwendete Schwert diskret nach oben zeigend. Ebenso wurden die Sporen präsentiert. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zeigten sich einmütig begeistert von diesem Kompromiss. Er verbindet die Gleichbehandlung der Geschlechter mit der regionalen Besonderheit Deutschlands. Hinzu tritt, dass das Berühren der Schulter mit dem Jerusalemkreuz einen besonders innigen religiösen Moment bereithält – nicht allein für den Betreffenden.




Festansprache des Statthalters
In seiner Festansprache begrüßte der Statthalter namentlich die zahlreichen Ehrengäste aus befreundeten Statthaltereien, der katholischen sowie der evangelischen Kirche. Sodann unterstrich er die Bedeutung, für alles Gute, das jedem einzelnen (nicht nur in der Gemeinschaft) tagtäglich widerfahre, dankbar zu sein. Die Gemeinschaft zeichne sich aus durch respekt- und würdevollen Umgang mit dem Gegenüber sowie sich selbst. Dabei schätze der eine den anderen höher ein als sich selbst. Dies komme auch in den Gedanken und der verwendeten Sprache zum Ausdruck. Etwas Positives zu benennen, um anschließend im gegebenen Fall kritisch-konstruktiv auch Schwachpunkte in der gebotenen ritterlichen Zurückhaltung anzusprechen, sei durchweg eine gute Form des “schönen Redens” (im Gegensatz zum Schönreden). Einen besonderen und herzlichen Dank sprach der Statthalter dem Vorbereitungsteam unter bewährter Leitung von Cfr. Prof. Dr. Michael Brandt sowie der Leitenden Komturdame, Andrea Klotzbach-Weinhold, aus. Im Rahmen der Restansprache teilte der Großprior seine Freude an seiner Verantwortlichkeit für das geistliche Wachstum der deutschen Gemeinschaft mit. Er stehe weiter als Großprior zur Verfügung, solange nichts Erhebliches dazwischengerate.
Neuinvestiertenrede von Cfr. Dierk Weinhold
Im Namen der Neuinvestierten sprach Cfr. Dierk Weinhold und brachte die Dankbarkeit der neuen Mitglieder zum Ausdruck:
„Es ist Freude und Ehre zugleich, Teil dieser Gemeinschaft zu sein. Das Ordensgewand ist Zeichen der Nachfolge Christi – und Erinnerung an unseren Auftrag, glaubwürdig zu handeln.“
Er knüpfte an das Leitwort der Investitur an und ermutigte dazu, Hoffnung und Glauben auch in kleinen Gesten des Alltags sichtbar werden zu lassen.
Pontifikalamt und Abschlussgottesdienst im Hildesheimer Dom
Am Sonntag bildete das feierliche Pontifikalamt im Hildesheimer Dom den geistlichen Abschluss des Investiturwochenendes. In der Statio vor Beginn des Gottesdienstes wurde an die Gründung des Bistums Hildesheim durch Kaiser Ludwig den Frommen erinnert sowie an den „Tausendjährigen Rosenstock“, der als Zeichen göttlicher Treue und Erneuerung gilt:
„Aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor.“
In seiner eindrucksvollen Predigt sprach S. E. Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ über Glaubenskraft, Verwundbarkeit und innere Festigkeit:
„Gott hat uns nicht den Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“
Er verband diese Worte mit einem eindringlichen Appell:
„Glück ist nicht Selbstgenügsamkeit, sondern das Sich-Öffnen für den anderen. Angst verengt – Gottes Geist gestaltet.“
Mit eindrücklichen Bildern sprach er von der heilenden Kraft der Vergebung und der Fähigkeit, Brücken zu bauen. Seine Worte gaben der Feier einen zuversichtlichen und hoffnungsvollen Abschluss.
Dank des Statthalters
Zum Abschluss des Wochenendes dankte Statthalter Cfr. Dr. Michael Schnieders allen, die zur Vorbereitung und Durchführung beigetragen hatten – den Geistlichen, dem Domkapitel, der Komturei St. Oliver Hildesheim sowie den zahlreichen Helferinnen und Helfern – darunter auch die Musiker und die Messdiener, von denen immerhin vier aus einer örtlichen Familie der Grabesritter stammen.
„Diese Tage in Hildesheim haben uns gezeigt: Der Orden lebt aus Gebet, Gemeinschaft und der Hoffnung, die aus dem Glauben wächst. Möge der Baumstumpf Isais in jedem von uns weiterwachsen und auch uns selbst reifen lassen.“
Mit diesen Worten endete ein Wochenende, das es verdient hat, als besonders geistlich, festlich und verbindend in Erinnerung zu bleiben.
