In Palästina verschlechtert sich die Situation für die Christen seit Kriegsbeginn stetig. Die Vorsitzende der Heilig-Land-Kommission, Csr. Cornelia Kimberger, im Gespräch mit dem Priester der Erlöser-Gemeinde in Taybeh, Fr. Abouna Bashar.
Fr. Abouna Bashar, was bewegt Sie im Moment?
Zunächst möchte ich Ihnen einen Gruß der Liebe und des Friedens aus dem Land senden, das Frieden und Gerechtigkeit sucht.
Wie ist die Situation in Taybeh im Hinblick auf die israelischen Siedler? Sind Sie alle in der Gemeinde sicher?
Die allgemeine Situation ist sicherer als in den vergangenen Tagen. Wir haben im Oktober und November sehr schwierige Tage durchgemacht. Aber was unseren Frieden heutzutage stört, sind die vielen militärischen Kontrollpunkte, die uns unser Recht auf Bewegungsfreiheit nehmen. Unser Weg vom Dorf Taybeh in die Stadt Ramallah dauert aufgrund der ständigen Kontrollpunkte und Sperrungen regulärer Straßen mehr als eine Stunde, obwohl es eigentlich unter normalen Umständen nur 15 Minuten Fahrstecke sind.
Schreiten die geplanten Arbeiten im Innenhof der Schule und in der Kirche voran?
Ja, fast alle Arbeiten, die Sie, die Deutsche Statthalterei im Pfarrhaushof und auf dem Schulhof finanziell unterstützen, sind fertiggestellt. Wir konnten die meisten Ingenieur-, Tiefbau-, Abbruch- und Müllentsorgungsarbeiten in kurzer Zeit erledigen.
Ist es möglich, in die anderen Dörfer ringsherum mit dem Auto zu fahren?
Ja, wir können von einem Dorf zum anderen fahren, aber wie ich bereits sagte, behindern die Absperrungen unsere Bewegungsfreiheit.
Sind viele israelische Soldaten im Westjordanland stationiert?
Ja, die Präsenz ist groß, manchmal sogar innerhalb von Taybeh. Wir erleben eine ständige Instabilität.
Ist es möglich, nach Jerusalem oder Bethlehem zu fahren? Kann S. Em. Patriarch Pierbattista Kardinal Pizzaballa seine Gemeinden in Palästina besuchen?
Ja, zum Glück kann ich nach Jerusalem fahren und unser Patriarch kann seine Pfarreien im Westjordanland erreichen, jedoch mit sehr vielen Kontrollpunkten und Hindernissen. Der Patriarch hat erst vor ein paar Tagen Ain Arik Ramallah und Jericho besucht und dort gemeinsam mit den Gemeindemitgliedern Gottesdienste gefeiert.
Wie sehen Sie, lieber Fr. Abouna Bashar, den Bedarf an Schulgeldbeihilfen und Stipendien?
Wir haben viele Studierende an palästinensischen Universitäten und daher besteht tatsächlich ein großer Bedarf an Stipendien. Sei es für Medizinstudenten, oder für andere Fachrichtungen. Auch unsere christlichen Schüler – in unserer Schule in Taybeh gibt es 396 Schüler, 25 % von ihnen sind Christen – benötigen Unterstützung. Leider emigrieren jedoch viele christlichen Familien und die Anzahl christlicher Schüler sinkt.
Was können Sie von der humanitären Lage der Christen und der Arbeitslosigkeit im Westjordanland berichten?
Die humanitäre Lage passt im Moment, aber sie tendiert immer mehr zum Schlechten. Die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch, denn viele junge Menschen werden aufgrund des Krieges daran gehindert, zum Arbeiten nach Jerusalem zu kommen! 95% der Genehmigungen wurden annulliert. Es fehlt an Einkommen.
Was gibt es aus ansonsten aus Ihrer Gemeinde zu berichten?
Die Christus-Erlöser-Gemeinde im Dorf Taybeh durchlebt turbulente Zeiten, ebenso wie die übrigen palästinensischen Dörfer und Städte. Aufgrund der sehr schwierigen politischen und gesellschaftlichen Situation, sowie der schwierigen wirtschaftlichen Lage, bedarf es einer umfassenden Revitalisierung, damit das Leben in der Stadt und in ganz Palästina weiterbestehen kann. In diesen Tagen bereiten wir uns auf den Eintritt in die Fastenzeit vor, aber leider werden wir Ostern wie immer nach dem östlichen Kalender feiern, also 35 Tage später. So feiern wir Ostern am 5. Mai. Danach erhalten 21 Jungen und Mädchen ihre Erste Heilige Kommunion im Beisein von S. Em. Patriarch Pierbattista Kardinal Pizzaballa. Zusätzlich zu dem von Ihnen finanzierten Projekt, werden wir auch das Haus der Rosenkranzschwestern in unserer Pfarrei renovieren. Dies geschieht mit Mitteln des Lateinischen Patriarchats und der Menschen aus Taybeh, welche in der Diaspora leben. Das Haus der Nonnen ist in einem sehr schlechten Zustand.
Sind die Gottesdienste in Ihrer Gemeinde gut besucht?
An den täglichen Messen nehmen, zusätzlich zu den vier in Taybeh anwesenden Klostergruppen, etwa 15 Personen aus der Pfarrei teil. An der Sonntagsmesse sind es aber mehr als 120 Personen.
Was möchten Sie uns, den Damen und Rittern der Deutschen Sttatthalterei, noch gerne sagen?
Ich möchte einen Gruß des Dankes, der Liebe und der Wertschätzung übermitteln. Für das, was die Damen und Ritter des Heiligen Grabes zu Jerusalem für das Lateinische Patriarchat im Allgemeinen und insbesondere auch für die Pfarrei in Taybeh tun. Die Damen und Ritter der Deutschen Statthalterei sind sehr großzügig und großherzig. Deshalb danken wir Ihnen im Namen aller Gemeindemitglieder für die Unterstützung, für Ihre liebevolle Zuwendung und jedes Gebet. Wir danken Ihnen auch für Ihr großes Vertrauen und für Ihre großzügige Unterstützung bei der Schaffung von Beschäftigungsprogrammen.
Über die Stadt, in der Jesus vor seinem Tod und seiner Auferstehung Zuflucht suchte, heißt es im Johannesevangelium: „Deshalb bewegte sich Jesus nicht mehr öffentlich unter dem Volk von Judäa. Stattdessen zog er sich in eine Gegend nahe der Wildnis zurück, in ein Dorf namens Ephraim, wo er bei seinen Jüngern blieb.“ (Joh 11:54).
Vielen Dank für Ihre große Liebe und Ihren großen Glauben an die Bedeutung der authentischen christlichen Präsenz in Palästina, das unter der anhaltenden Auswanderungswelle leidet, die insbesondere nun nach dem 7. Oktober 2023 nicht mehr aufhört.
Danke für jedes Gebet… Danke für jede solidarische Haltung… Danke für die große Liebe.
Wir versprechen, für Sie und Ihre Familien zu beten, damit sie immer in Frieden leben können, denn Frieden ist geprägt von Liebe, Wertschätzung und Respekt.
Lieber Fr. Abouna Bashar, auch an Sie und alle Gemeindemitglieder in Taybeh, ein von Herzen kommender Gruß. Danke für Ihre Einschätzungen, die uns helfen können, uns ein Bild von der Situation in Taybeh zu machen. Wir wünschen Ihnen allen den so sehr ersehnten Frieden und Gottes reichen Segen. Seien Sie alle behütet und beschützt. Wir freuen uns auf ein hoffentlich baldiges Wiedersehen mit Ihnen.