Text. Cfr. Dr. Marius Schwemmer

Türen öffnen und Herzen weiten

Eine schöne Tradition im Advent ist das tägliche Öffnen der Türchen im Adventskalender. Alle Jahre wieder zeigen Umfragen, wie beliebt diese Begleiter auf dem Weg zum Weihnachtsfest sind – ganz gleich, welche süße, nachdenkliche oder sonstige Überraschung sich hinter den kleinen Türen verbirgt. Doch das Öffnen der Türen lässt uns die Zeit des Wartens nicht nur mit Spannung und Freude erleben. Das Öffnen einer Tür hat auch eine tiefere Bedeutung, die uns zum Herzen des Advents führt.

Türen sind nicht nur praktische Elemente unseres Alltags; sie besitzen auch eine symbolische Kraft. Sie können Offenheit und Zugang bedeuten, aber auch Verschlossenheit oder Abgrenzung. Wie oft stehen wir im übertragenen Sinne vor verschlossenen Türen – sei es im Umgang mit anderen Menschen, in schwierigen Lebenssituationen oder in unserem eigenen Inneren? Die Adventszeit lädt uns ein, die Türen unseres Herzens weit zu öffnen, wie es das bekannte Adventslied „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ (GL 218) so eindrucksvoll besingt.

„Macht hoch die Tür“ – ein Lied, das Herzen öffnet

Die Geschichte hinter diesem Lied erzählt in verschiedenen leichten Variationen von einem hartherzigen Mann, der einen Weg zwischen Armenhaus, Stadt und Kirche blockiert hatte, weil dieser über sein Grundstück führte. Das Lied öffnete sein Herz und er gab daraufhin den versperrten Weg frei.

Der Text des Lieds „Macht hoch die Tür“ hat seine Wurzeln in Psalm 24. So begegnet uns im Lied wie dort das Bild des ankommenden Königs (Strophe 1). Doch dieser König unterscheidet sich grundlegend von vielen früheren und heutigen Machthabern: Er ist kein Eroberer, sondern ein Gerechter, der Sanftmut als seinen Gefährten und Barmherzigkeit als seine Herrschaftsform mitbringt. Er bringt nicht nur Ordnung und Struktur, sondern auch Mitgefühl und Fürsorge, beendet Not, stiftet Beziehungen und schenkt damit Leben (Strophe 2). Unser Herz, so das Lied, soll das Land oder die Stadt sein, die ihn aufnimmt (Strophe 3).

Den inneren Tempel für Gott bereiten

In der christlichen Tradition bereiten wir im Advent uns auf eine dreifache Ankunft vor: auf die liturgische Vergegenwärtigung der historischen Geburt Jesu als Kind in der Krippe, auf seine endzeitliche Wiederkunft und – ganz zentral – die Geburt Gottes in unserem Inneren, in unserem Herzen. Der Barockdichter Johannes Scheffler alias Angelus Silesius drückt dies wie folgt aus:

„Wird Christus tausendmal zu Bethlehem geboren
und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren.“

Die Adventszeit lädt uns ein, uns für Gottes Gegenwart im Hier und Jetzt zu öffnen. Es geht darum, sich bewusst zu werden, dass Gott heute bei uns selbst ankommen will – in unserer Mitte, unserem Herzen. Diese innere Wohnstätte gilt es kultivieren, damit Gott uns ganz nahe sein kann. Dazu gilt es mit Wilhelm von Saint Thierry, bei sich selbst anzukommen, damit dadurch Gott bei einem selbst ankommen kann. Oder wie es die vierte Strophe des Liedes „Macht hoch die Tür“ ausdrückt: damit das eigene Herz zum Tempel Gottes bereitet wird.

Dabei kann es hilfreich sein, innezuhalten und zu reflektieren: Welche Türen sind in meinem Leben inzwischen ins Schloss gefallen sind? Welche Wege sind (noch) blockiert – vielleicht sogar durch mich selbst?  Welche neuen Zugänge zu Gott, zu anderen Menschen oder zu mir selbst könnten gefunden werden?

Advent bedeutet zudem, die Herzenstür bewusst für Gott, der davorsteht und anklopft,

zu öffnen – und wie beim Adventskalender dabei die eine oder andere überraschende Entdeckung zu machen.

Ein ritterlicher Auftrag

Das Lied „Macht hoch die Tür“ ist reich an Anspielungen auf königliche Traditionen und durchdrungen von solchen symbolträchtigen Bildern. Für mich ist es u. a. dadurch – nicht nur in der Adventszeit – ein  Schlüssellied für uns Damen und Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem, da unsere Spiritualität stark von diesen Motiven mitgeprägt ist.

Bereiten wir Damen und Ritter Gott die Wege, machen wir ihm die Stege im Glauben und Leben ganz eben,

und öffnen wir seiner Ankunft die Herzen und Türen in der Welt. Fangen wir damit bei uns selbst an, damit wir schließlich voller Freude singen können:

„Komm, o mein Heiland Jesu Christ,
meins Herzens Tür dir offen ist (ab Minute 1:54).

OESSH Deutsche Statthalterei

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