Text: Dr. Christian Schleithoff, Komturei St. Pius X, Berlin
Entscheidung zur Reise
Organisierte Pilgerreisen ins Heilige Land sind derzeit kaum möglich. In dieser außergewöhnlichen Zeit habe ich mich – als Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem – dennoch zu einer privaten Pilgerreise in der vorösterlichen Zeit entschlossen. Der Entscheidung gingen eine intensive Auseinandersetzung mit der Situation sowie zahlreiche Gespräche mit ortskundigen Bekannten voraus. Unter sorgfältiger Beachtung geeigneter Vorsichtsmaßnahmen (wie etwa die Nutzung von Warn-Apps und das Meiden bestimmter Gebiete) habe ich die Reise schließlich angetreten.
Eindrücke vor Ort
Bei meiner Ankunft wirkte Israel auf den ersten Blick ruhig – mit lebendigem Alltag in den Städten und einem überraschend normalen öffentlichen Leben. Dennoch war deutlich spürbar: Pilger sind selten geworden. Ich habe die Heiligen Stätten noch nie so menschenleer erlebt wie bei dieser Reise.
Neben den klassischen Pilgerstätten in Jerusalem und rund um den See Genezareth stand für mich vor allem der persönliche Austausch mit Menschen im Mittelpunkt – mit Christen vor Ort, mit Franziskanern, Benediktinern und Vertretern des Lateinischen Patriarchats. Andere Pilger traf ich kaum – nicht, weil ich den Kontakt mied, sondern weil schlicht niemand da war.
Die Gespräche, die ich führen durfte, waren geprägt von großer Offenheit, Dankbarkeit und einem tiefen Glauben trotz aller Herausforderungen. Drei Begegnungen möchte ich besonders hervorheben.
Begegnung mit dem Lateinischen Patriarchat
Den Auftakt bildete ein Gespräch mit Sami El-Yousef, dem CEO des Lateinischen Patriarchats. Er schilderte eindrucksvoll die Situation vieler christlicher Gemeinden, die unter dem Ausbleiben der Pilger leiden. Die ohnehin schon schwierigen Rahmenbedingungen für arabische Christen werden durch wirtschaftliche Belastungen weiter verschärft. Infolgedessen sind viele christliche Einrichtungen auf zusätzliche Unterstützung angewiesen – sei es in Form humanitärer Hilfe oder gezielter sozialer Projekte. Die Ausgaben des Patriarchats sind deutlich gestiegen, insbesondere auch für die Gemeinde Heilige Familie im Gazastreifen. Auch andere christliche Gruppen, etwa ausländische Arbeitskräfte aus Asien, benötigen zunehmend Hilfe, insbesondere Frauen, die mit schwierigen Lebenslagen konfrontiert sind. Das Patriarchat leistet hier wertvolle Unterstützungsarbeit.
Besuch der Dormitio-Abtei
Ein zweites Gespräch führte mich zur Dormitio-Abtei, wo ich als Gast von Pater Nikodemus Schnabel OSB aufgenommen wurde. Die Abtei ist nicht nur ein geistlicher Ort, sondern auch ein Zentrum der Bildung, der Ökumene und des theologischen Austauschs. Besonders beeindruckt hat mich die Offenheit, mit der Pater Nikodemus den Dialog mit allen Menschen guten Willens sucht. Seine Hoffnung auf Frieden und sein unerschütterlicher Einsatz für das Zeugnis des christlichen Glaubens haben mich tief bewegt.
Begegnung mit den Franziskanern der Custodia Terrae Sanctae
Mein drittes wichtiges Gespräch führte mich zu den Franziskanern der Custodia Terrae Sanctae. Die Franziskaner sind seit Jahrhunderten treue Wächter der Heiligen Stätten. Ihr Wirkungsbereich erstreckt sich nicht nur auf Israel, sondern auch auf benachbarte Länder. Sie unterhalten zahlreiche Kirchen, Schulen und soziale Einrichtungen.
Mein Gesprächspartner war Pater Athanasius, der unter anderem die organisatorischen Fragen in der Grabeskirche koordiniert. Er berichtete von der anspruchsvollen, aber konstruktiven Zusammenarbeit mit anderen Konfessionen im Rahmen des sogenannten „Status Quo“. In Zeiten mit wenigen Pilgern nutzt man die Gelegenheit, notwendige Renovierungsmaßnahmen in der Grabeskirche weiter voranzubringen – ein hoffnungsvolles Zeichen für die Zukunft.
Auch das Thema Unterstützung spielte bei den Franziskanern eine große Rolle. Sie setzen sich nicht nur für die Erhaltung der Heiligen Stätten ein, sondern auch für die Menschen – durch Bildung, karitatives Engagement und pastorale Präsenz.
Zeichen gelebter Vielfalt
Zum Abschluss meines Aufenthalts in Jerusalem besuchte ich die protestantische Erlöserkirche, die auf historischem Boden erbaut wurde und heute von deutschsprachigen evangelischen Gemeinden getragen wird. Diese Kirche ist ein weiteres Zeichen der gelebten christlichen Vielfalt im Heiligen Land.
Rückblick und Ausblick
Meine Reise war geprägt von tiefen Eindrücken und berührenden Begegnungen. Trotz aller äußeren Herausforderungen spürte ich bei allen Gesprächspartnern eine starke Hoffnung, ein Vertrauen in die Kraft des Glaubens und eine tiefe Dankbarkeit für jede Form der Verbundenheit – sei es durch das Gebet oder durch konkrete Hilfe.
Für mich war diese Pilgerreise ein Zeichen der Nähe und Solidarität – als Pilger der Hoffnung im Heiligen Land.