In ihrem Bericht gibt die – in diesen Tagen und Wochen ganz besonders geforderte und in enger Verbindung zu den Menschen im Heiligen Land stehende – Vorsitzende der Heilig-Land-Kommission vor allem Originaltöne von Betoffenen aus dem Gaza-Streifen wieder. So erhalten wir einen unmittelbaren Eindruck aus der Sicht vor Ort.

Genug Brüder, genug!

„Genug. Genug Brüder, genug!“, rief Papst Franziskus am 12. November 2023 beim Angelusgebet in Rom den Gläubigen zu. Jeder Mensch habe „das Recht, in Frieden zu leben.“ Er sagte zudem: „Jeden Tag sind meine Gedanken bei der sehr ernsten Situation in Israel und Palästina. Ich bin all denen nahe, die leiden, Palästinensern und Israelis. Ich umarme sie in diesem dunklen Moment und bete so sehr für sie. Lasst die Waffen ruhen, sie werden niemals Frieden bringen, und lasst den Konflikt sich nicht ausweiten…Lasst die Verwundeten in Gaza sofort gerettet werden, lasst die Zivilisten geschützt werden, lasst viel mehr humanitäre Hilfe zu dieser erschöpften Bevölkerung gelangen. Lasst die Geiseln frei, unter denen sich viele alte Menschen und Kinder befinden. Jeder Mensch, ob Christ, Jude, Muslim, egal welchem Volk oder welcher Religion er angehört, jeder Mensch ist heilig, ist wertvoll in den Augen Gottes und hat das Recht, in Frieden zu leben.“ (zitiert nach Vatican News, 12. November 2023)

Heilige Messe aller Christen in Gaza

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Am Sonntag, dem 12. November 2023 morgens, schreibt Fr. Gabriel Romanelli, der als Priester für die Gemeinde „Heilige Familie“ in Gaza zuständig ist: „Guten Morgen. Allen in der Pfarrei geht es gut!“ So wird auch an diesem Sonntag in der Gemeinde im Norden Gazas, wie auch an all den anderen Tagen, Gottesdienst gefeiert. Katholische und orthodoxe Christen feiern zusammen die Heilige Messe. 700 Menschen sind mittlerweile auf dem Gemeindegelände, trotz der strikten Aufforderungen des israelischen Militärs, in den Süden Gazas zu gehen. Das israelische Militär möchte nach eigenen Angaben Zivilisten schützen. Der Schutz der Zivilbevölkerung kann aus Sicht des israelischen Staats besser gewährleistet werden, wenn die Terrorgruppe Hamas bekämpft wird, die vor allem im Norden des dicht besiedelten Gazastreifens und in der Stadt Gaza, so wird vermutet, ihre „Kommandozentrale“ und das weitverzweigte Tunnelsystem hat. Das Gelände der griechisch-orthodoxen Gemeinde, die unweit der Pfarrei „Heilige Familie“ liegt, wurde bereits vor zwei Wochen zerstört. Auch Christen fielen den intensiven Militäreinsätzen bereits zum Opfer. Seine Seligkeit Patriarch Pierbattista Kardinal Pizzaballa versucht mit seinen vielfältigen Kontakten alles, um die Christen in Gaza zu schützen.

Segen des Papstes

Immer wieder betont Fr. Romanelli, dass es vor allem für die 54 beeinträchtigten Kinder, die von den Mutter-Theresa-Schwestern liebevoll betreut werden, unmöglich ist, das Pfarreigelände zu verlassen. Er werde oft gefragt, warum sie nicht in den Süden Gazas gingen. „Wo sollen wir Christen denn alle im Süden Gazas hin? Es gibt keine Unterkünfte. Auch im Süden ist es nicht sicher. Es fallen auch dort Bomben!“, so der Priester am Telefon. Papst Franziskus telefonierte am Sonntag mit der Gemeinde, wie regelmäßig an vielen Tagen zuvor. „Er hat seine Nähe und Sorge zum Ausdruck gebracht und uns alle gesegnet“, so erzählt Fr. Romanelli, der, als der Krieg begann, sich gerade in Bethlehem aufhielt und nicht mehr zu seiner Gemeinde nach Gaza zurückkehren konnte. Pater Joseph, der ihm in friedlichen Zeiten immer zur Seite stand, ist nun als Priester in Gaza auf sich allein gestellt. Jedoch steht er in ständigen Kontakt mit Fr. Romanelli in Betlehem, der ihn aus der Ferne unterstützt, berät und zudem das Sprachrohr hinaus in die Welt ist. Die Rosenkranzschwestern und die Schwestern vom Orden „Verbum incarnatum“ kümmern sich zusammen mit Pater Joseph intensiv und aufopfernd um die Flüchtlinge auf dem Kirchenareal.

Gebet für den Frieden

Am Montag, dem 13.November 2023, bittet Fr. Romanelli dringend um das Gebet, damit der Friede siegt und der Krieg endet. Die Menschen verharren weiterhin in der Pfarrei. Die Christen schlafen dicht gedrängt in den Räumen des Kindergartens, der Schule und im Pfarrhaus. Sie beten tagsüber den Rosenkranz, es folgt die eucharistische Anbetung. Dreimal am Tag versammeln sie sich zur Heiligen Messe.

Schule der Rosenkranzschwestern

Bereits am vergangenen Donnerstag wurde die Schule der Rosenkranzschwestern zerstört. Die Deutsche Statthalterei erhielt ein Video, welches zeigt, wie die Rektorin der Schule durch die Trümmer ihrer Schule geht, in die noch ein paar Wochen zuvor rund 500 Mädchen zum Unterricht gingen. 

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Tragische Schicksale

Montagabend ereilte die Statthalterei die Nachricht vom Tode einer 80-jährigen Frau aus der Patriarchats Gemeinde „Heilige Familie“. „Eine andere tragische Geschichte aus Gaza“, heißt es in der Mitteilung. Während einer Feuerpause wollte die alte Dame nachschauen, ob ihr Wohnhaus verschont geblieben ist. Auf der Straße, direkt vor ihrem Haus, wurde sie angeschossen. Sie verblutete, da sich ihr niemand nähern und helfen konnte. Nun wird versucht, den Leichnam zu bergen, um sie würdig beerdigen zu können. Sie unterrichtete in der Patriarchatsschule Musik und spielte am Sonntag in der Kirche die Orgel.

Durst und Hunger

Am 14. November 2023 ereilt die Deutsche Statthalterei wiederum eine Sprachnachricht von Fr. Romanelli: „Es sind immer weniger Menschen in Gaza Stadt. Die Situation wird minütlich gefährlicher. Die Menschen sind vor allem sehr durstig. In ganz Gaza Stadt gibt es keine Nahrung und kein Wasser. Alles, was wir tun können, ist beten!“

Friedensgebet

Beim Friedensgebet vergangene Woche, an dem viele Christen aus Jerusalem teilnahmen, bezog sich Seine Seligkeit Patriarch Pierbattista Kardinal Pizzaballa in seiner Predigt auf die „Seligpreisungen“ aus dem Evangelium zur Bergpredigt: „Wir dürfen unsere Hoffnung auf Frieden nicht verlieren! Wir müssen uns für das Gebet und nicht für Gewalt und Zerstörung entscheiden, denn das letzte Wort ist das Leben.“ Er drückte seine Solidarität mit allen Betroffenen im Heiligen Land und im Gazastreifen aus. Zudem erläuterte er die Anstrengungen, welche unternommen wurden, um den Krieg zu beenden und eine gerechte und umfassende Lösung zu erreichen.

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