Mitte Januar erhielt die Deutsche Statthalterei einen Bericht des CEO des Lateinischen Patriarchats, Sami El-Yousef, zur allgemeinen Situation der Christen im Heiligen Land. Als Reaktion des Hamas-Anschlags auf Kibbuzim und ein Festival nahe dem Gazastreifen am 7. Oktober 2023 leiden auch unsere christlichen Glaubensgeschwister unter fürchterlichen Bedingungen. Cornelia Kimberger, die Vorsitzende der Heilig-Land-Kommission, fasst den Bericht zusammen.

Die momentane Situation im Gazastreifen

Die generelle Situation in Gaza bleibt äußerst prekär und ist ohne ein absehbares Ende. Folgende Fakten wurden von UN-Agenturen veröffentlicht: 85 % der Bevölkerung (1,9 Mio. Menschen) sind intern vertrieben. 2,2 Mio. Menschen sind von Hungersnot bedroht. Über 24.000 Menschen wurden getötet, davon 70 % Kinder und Frauen. 60.500 Menschen wurden verletzt, darunter ebenfalls 70% Frauen und Kinder. 60% aller Wohnungen sind zerstört oder schwer beschädigt. Nur 15 von 36 Krankenhäusern funktionieren und dies nur teilweise. 69% aller Schulen sind zerstört. 625.000 Schülerinnen und Schüler können nicht unterrichtet werden. 146 UN-Mitarbeiter, 337 Gesundheitsfachleute und 117 Journalisten wurden getötet. Es gibt keinen Strom oder sauberes Wasser. Das Telekommunikationsnetz ist zerstört und im Durchschnitt erreichen 100-200 humanitäre Hilfstransporte den Gaza-Streifen (allerdings nicht den Norden Gazas), im Vergleich zu täglich 600 Hilfstransporten vor dem Krieg.

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Die Lage der Christen in Gaza

Es gibt 600 Menschen, die im Komplex der Heiligen Familie Schutz suchen und vollständig von uns abhängig sind. Sie benötigen Nahrung, Wasser, Medikamente, Kleidung und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Das, was am meisten fehlt, sind Medikamente. Zusätzlich bieten wir die gleiche Unterstützung für die 200 Christen im Komplex der griechisch-orthodoxen Kirche sowie für Dutzende muslimische Familien, die unsere direkten Nachbarn sind. In der Gemeinde gibt es begrenzt Vorräte. Auf dem Schwarzmarkt ist Nahrung zu Preisen erhältlich, die mindestens zehnmal so hoch sind wie vor dem Krieg. Darüber hinaus gibt es in der Gemeinde sechs Personen mit schweren multiplen Verletzungen, die eigentlich von Ärzten versorgt werden müssten. Die Zerstörungen des Heims der Mutter Theresa Schwestern, in dem 55 schwerstbehinderte Kinder weiterhin versorgt werden, sind erheblich und bisher nicht zu beheben.

Zerstörung von Gemeinderäumen

Erhebliche Schäden entstanden an unserem Eigentum in Gaza. Durch den Beschuss der Schule der Gemeinde in Remal ist hoher Schaden entstanden. Bis zu 2.500 Menschen versuchten, sich dort in Sicherheit zu bringen. Nun sind dort noch 900 Schutzsuchende untergebracht. Das Thomas-Aquinas-Zentrum erlitt einen direkten Treffer und benötigt umfangreiche Restaurierung, ebenso wie das benachbarte Caritas Medical Center. Die Rosenkranzschule erlitt ebenfalls erhebliche Schäden durch mehrere Angriffe sowie durch die Nutzung als temporäres Kommandozentrum für die israelische Armee, als diese in der Gegend war.

Hilfen des Lateinischen Patriarchats in Gaza

Seit dem ersten Tag des Krieges versucht das Lateinische Patriarchat durch Hilfen, das Unmögliche wahr werden zu lassen. Wir versuchen das Menschenmögliche, dass Christen sowie die umliegenden Nachbarn ihre tägliche Unterstützung erhalten. Wir haben keine Anstrengung gescheut, Hilfen dorthin zu bringen – so etwa in Form von Bargeld oder Versorgungsgütern, um das Überleben unserer Brüder und Schwestern zu gewährleisten. Dies ist und war eine riesige Aufgabe, aber wir danken Gott, dass uns dies gelungen ist, auch in Zeiten extremer Gefahr. Darüber hinaus haben wir uns bei verfügbaren Netzwerken auf allen Seiten dafür eingesetzt, unser Eigentum und damit einhergehend auch das Leben der Menschen, die dort Schutz suchen, zu verteidigen. Dies sollte angesichts der enormen Herausforderungen auf allen Seiten nicht unterschätzt werden. Da der Krieg nun bereits über 100 Tage andauert, sind bisher erhebliche finanzielle Ressourcen für die Christen im Gazastreifen verwendet worden. Wir werden keine Mühen scheuen, dies bis zum Ende des Krieges und darüber hinaus fortzusetzen. Sobald die Kämpfe enden und eine gewisse Lösung in Sicht ist, müssen Pläne zur Wiederherstellung und Neugründung unserer Institutionen erstellt werden. Darüber hinaus muss dann auch über andere Hilfen nachgedacht werden.

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Die derzeitige Situation im Westjordanland

Die Situation im Westjordanland ist äußerst prekär und ohne ein absehbares Ende. UN-Agenturen veröffentlichten folgende Zahlen: 340 Palästinenser wurden seit Beginn des Krieges getötet, darunter 88 Kinder. 4.197 wurden verletzt, darunter 635 Kinder. 413 gewaltsame Angriffe von Siedlern wurden gezählt; 1.208 Menschen, darunter 586 Kinder, wurden aus ihren Häusern vertrieben. Darüber hinaus verkomplizieren folgende Faktoren das Leben im Westjordanland dramatisch: die vollständige Schließung und Teilung des Westjordanlandes. Dies gefährdet die Bewegungsfreiheit dramatisch. Hinzu kommt der vollständige Zusammenbruch des Tourismussektors, der hauptsächlich Bethlehem und Jerusalem betrifft. Die Rücknahme aller Arbeitserlaubnisse für Palästinenser, welche in Israel arbeiten, beeinträchtigt das Leben von etwa 100.000 Arbeitern. Die Arbeitslosigkeit ist daher exorbitant hoch. Die Steuerüberweisungen von Israel an die Palästinensische Autonomiebehörde sind eingestellt. Etwa 180.000 Staatsangestellte erhalten seit Oktober 2023 keinen Lohn. Das alles hat das Westjordanland in eine unsichere Zone verwandelt. Der tägliche Einmarsch der israelischen Armee geht mit der Zerstörung von Infrastruktur einher. Die Wirtschaft ist vor dem Kollaps. Unsere Christen leiden wie alle anderen Einwohner der Westbank unter all den genannten Faktoren.

Hilfen des Lateinischen Patriarchats im Westjordanland

Der Fokus aller Hilfen des Lateinischen Patriarchats lag während der Monate November und Dezember auf rein humanitärer Unterstützung. Über 5.000 Christen wurden damit erreicht: Lebensmittelgutscheine, Unterstützung für Mieten, für Medikamente und bei medizinischen Behandlungen, Schulgeldbeihilfen und andere Verpflichtungen. Nun richtet sich unser Fokus wie schon vor dem Krieg auf nachhaltigere Lösungen: die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Entwicklung kleiner Unternehmen, Praktika und berufliche Ausbildung. Wir erwarten, dass Hunderte in den kommenden 4-5 Monaten daran teilnehmen und von solchen Möglichkeiten profitieren werden. Darüber hinaus werden wir auch weiterhin reine humanitäre Unterstützung für andere Familien leisten, die weiterhin dringend benötigt wird.

Warten auf ein Ende des Kriegs

Die von den Mitgliedern des Ordens und anderen Spendern weltweit erhaltenen Zuwendungen wurden während der Monate November und Dezember 2023 genutzt, um die täglichen Bedürfnisse von etwa tausend Menschen in Gaza und etwa 5.000 Menschen im Westjordanland zu unterstützen. In den kommenden 4-5 Monaten werden wir die humanitäre Unterstützung fortsetzen und uns allmählich auf nachhaltige Arbeits- und Einkommensgenerierung verlagern. Sobald der Krieg endet, werden die Gelder verwendet, um den Menschen in Gaza zu helfen. Vor allem, um ihr Leben wieder aufzubauen. Zudem werden wir einige Mittel zur Behebung von Schäden und zur Wiederherstellung der Arbeit unserer Institutionen bereitstellen. Selbstverständlich werden auch Gelder für die Umsetzung von psychosozialen Hilfen durch die Gemeinden und die Schulen bereitgestellt. Damit helfen wir Menschen, erlebte Traumata zu überwinden. Konkrete Pläne für Gaza müssen bis zu diesem Tag zurückgestellt werden.

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Dank des CEO an die Spender

Unsere Wertschätzung und herzlicher Dank gehen an jedes einzelne Mitglied des Ordens, welches großzügige Beiträge geleistet hat. Sie befähigen uns, mit den Schrecken dieses Krieges umzugehen. Danke und Gott segne euch!

Sami El-Yousef Chief Executive Officer 17. Januar 2024

Hilfen der Deutschen Statthalterei

Die Damen und Ritter der Deutschen Statthalterei sind großherzig dem Spendenaufruf zum Advent gefolgt. Bis Ende Januar konnten bereits 260.000 € für humanitäre Hilfen über das Großmeisteramt in Rom an das Lateinische Patriarchat überweisen werden. Somit haben die Damen und Ritter den Christen in Gaza und im Westjordanland in dieser so schweren Zeit helfen können. Dafür bedanken sich der Statthalter Dr. Schnieders und die Vorsitzende der Heilig-Land-Kommission Cornelia Kimberger vielmals.

OESSH Deutsche Statthalterei

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