Ein hoher Berg
Auf einen hohen Berg führt Jesus im Evangelium von der Verklärung des Herrn, das wir an diesen zweiten Fastensonntag hören, seine Jünger. Es sind drei, die immer wieder aus dem Kreis der Zwölf hervorgehoben werden: Petrus, Jakobus und Johannes.
Sie erwartet eine einzigartige Erfahrung, deren Bedeutung ihnen erst viel später, nach der Auferstehung, klar werden wird. Warum sind es nur diese drei und nicht alle Apostel oder gleich eine große Menschenmenge wie bei der Bergpredigt oder anderen Gelegenheiten?
Offenbar braucht manche Glaubenserfahrung einen diskreten Rahmen, ist ungeeignet für die große Zuschauermenge und bleibt vielen auch einfach unzugänglich.
Mose und Elija
Am Ort der Verklärung begegnen sie zwei anderen großen „Bergsteigern“ der Bibel: Mose und Elija hatten ihre intensivsten persönlichen Gottesbegegnungen ebenfalls in der Abgeschiedenheit eines Berggipfels. Mose am Sinai, als er abseits vom großen Lager der Israeliten allein am Berg aus Gottes Hand die Gesetzestafeln empfängt, Elija als er allein am Horeb in der Höhle sitzt und Gott nicht im Sturm oder im Gewitter, sondern „im Säuseln des Windes“ begegnet. Von ihnen sagt das Evangelium, dass sie „mit Jesus redeten“. Was sie sprechen, erfahren wir – und vermutlich auch die drei Jünger – nicht.
Gott weist uns den Weg
„Es ist gut, dass wir hier sind“ fasst Petrus sein Empfinden in Worte, gefolgt von dem zunächst etwas unbeholfen wirkenden Vorschlag, drei Hütten zu bauen. Vielleicht liegt hier ein Bezug zum jüdischen Laubhüttenfest Sukkot vor, das als Dank- und Freudenfest gefeiert wird und in Beziehung zur Wüstenwanderung des Volkes Israel gesetzt wird. Während des Exodus war das Volk in besonderer Weise auf die Führung und Hilfe Gottes angewiesen und lebte dadurch in einer großen Gottesnähe. Auch die leuchtende Wolke als Zeichen der Gegenwart des Herrn ist ein deutlicher Bezug zur Wolken- bzw. Feuersäule des Exodus.
Im Heiligen Land weitet sich die eigene Perspektive
Es ist gut, dass wir hier sind – diese Empfindung haben viele unserer Ordensangehörigen auch auf Pilgerfahrten ins Heilige Land. Sie sind tief berührt von den Erfahrungen, die sie an den Heiligen Stätten in Jerusalem, Bethlehem, Nazareth oder am See Genezareth machen dürfen. Manche wird es bei diesen Ordenswallfahrten dabei auch auf mehr oder minder hohe Berge führen, auf den Karmel, den Sinai. Immer weitet sich dort der Blick für die Welt. Man kann ein Gespür für den Blick Gottes auf die Welt, gleichsam „von oben“ geschenkt bekommen. Die eigene Perspektive weitet sich dann. Ähnliche Erfahrungen suchen auch viele Menschen, die es vielleicht eher aus touristischen Gründen in andere ferne Länder treibt, an die Ufer von Seen und Meeren oder eben auch auf hohe Berge.
Gut, dass wir dort waren
Es braucht solche „Gipfelerfahrungen“ des Besonderen, um dann die „Niederungen“ des Alltags wieder gut bestehen zu können. Denn nach dem Gipfel kommt der Abstieg. Wir können in den improvisierten Hütten nicht auf Dauer bleiben. Ein Bergführer hat mir einmal gesagt: Eine Bergtour endet nicht am Gipfel, sondern erst dann, wenn alle wieder gut ins Tal zurückgekehrt sind.
Den Gipfel können wir nicht mitnehmen: Es sind die Erfahrungen, die wir behalten.
Solche Erlebnisse, die zu wirklichen Erfahrungen werden, von denen wir sagen: „Gut, dass wir dort waren“, wünsche ich Ihnen, liebe Ordensgeschwister, in dieser Fastenzeit. Egal ob am Berg oder im Tal.
Von Prof. Dr. Thomas Schwartz, Prior der Komturei St. Ulrich und Afra, Augsburg