„Wie es jetzt ist, soll es immer bleiben.“ Viele von uns, die auf einer Pilgerfahrt ins Heilige Land den Berg Tabor besucht haben, haben wohl so gedacht: Ein faszinierender Blick vom Berg in die Weite der Landschaft, ein interessantes Kirchgebäude und vor allem die Erinnerung an einen biblischen Text, der von der Verklärung Jesu auf einem hohen Berg spricht. „Wie es jetzt ist, soll es immer bleiben.“ Wir möchten, dass die glücklichen Augenblicke zur ständigen Gegenwart werden.

Allerdings wissen wir genau: Das geht nicht. Wir können die Zeit nicht festhalten. Es bleibt aber die Erinnerung an eine schöne Landschaft, an besondere geistliche Augenblicke und erfüllende menschliche Beziehungen. Diese Erinnerungen sind uns kostbar. Uns ist aber auch klar: Zum Leben gehört auch Unangenehmes – wie die Erfahrung, nicht verstanden zu sein, Schmerzen an Leib und Seele, Auseinandersetzungen … Dem Unangenehmen möchten wir entfliehen. Es soll schnell vorbeigehen.

Festhalten – Entfliehen. Dies ist der Erfahrungshintergrund des Evangeliums von der Verklärung Jesu. Petrus, Jakobus und Johannes machen eine besondere Erfahrung. Sie hatten ja schon viel mit Jesus erlebt. Das, was jetzt passiert, ist ganz neu: Jesus wird vor ihren Augen verwandelt. Elija und Mose reden mit Jesus. Petrus schlägt vor, drei Hütten zu bauen, um den Lichtgestalten Jesus, Elija und Mose eine Bleibe zu geben. Er will diese besondere Situation festhalten. Dann kommt noch eine Steigerung: Gott bekennt sich zu Jesus: „Dieser ist mein geliebter Sohn, … auf ihn sollt ihr hören.“

„Geliebter Sohn“. Zweimal berichtet das Matthäusevangelium davon, wie Gott Jesus so anspricht oder ihn so bezeichnet: Einmal am Jordan bei der Taufe durch Johannes und dann auf dem Berg der Verklärung. Bei der Taufe sagt Gott seinem Sohn, wer er ist, und sendet ihn auf seinen Weg. Sein Auftrag ist, den Menschen die Frohe Botschaft vom Reich Gottes zu verkünden.

Auf dem Berg der Verklärung richtet sich das Wort Gottes über Jesus an die Jünger: „Dieser ist mein geliebter Sohn, … auf ihn sollt ihr hören“. Die Jünger sollen erkennen, wer Jesus ist. Als geliebter Sohn Gottes ist er das Licht Gottes für die Welt. Mit den Worten Gottes und der Erfahrung auf dem Berg werden die Jünger gesandt, den Weg Jesu mitzugehen.

Nach der Erzählung der Evangelien beginnt mit der Verklärung Jesu der Kreuzweg, der Weg nach Jerusalem – hinein in den Konflikt mit den religiösen und politischen Machthabern; der Weg, der zum Tod am Kreuz führt. Gott sendet die Jünger auf diesen Weg mit Jesus. Sie werden es nicht ertragen, ihn bis zum Ende mitzugehen.

Festhalten – Entfliehen. Hier das Licht, das Jesus am Berg Tabor umgibt – und dort die Nacht auf dem Hügel von Golgatha. Hier Mose und Elija, die Jesus zur Seite stehen – dort zwei Verbrecher, gekreuzigt an seiner Seite. Auch das Verhalten der Jünger bildet einen Kontrast: Festhalten-Wollen auf dem Berg der Verklärung und Entfliehen von Golgatha.

Gedanklich gehen wir noch einmal zum Berg der Verklärung zurück: „Dieser ist mein geliebter Sohn“. Mit diesen Worten wird eine besondere Beziehung ausgedrückt. Jesus ist der Messias, der Gesandte Gottes, der als Sohn zu Gott „Vater“ sagt.

Die Jünger sind auf dem Berg Tabor keine unbeteiligten Zuschauer. Sie werden in das, was da zwischen Vater und Sohn geschieht, hineingenommen. Plötzlich ist dann die Verklärungssituation vorbei. Jesus steigt mit den Jüngern den Berg hinab. Nach dem Gipfelerlebnis geht es zurück in den Alltag. Auf diesem Weg sagt Jesus den Jüngern, dass sie von dem Erlebten nichts erzählen dürfen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist. Dieser Gedanke vom „Auferstehen“ beschäftigt die Jünger.

Von Ostern her wird das Erfahrene deutlich: Gott lässt seinen geliebten Sohn nicht im Tod. „Du bist mein geliebter Sohn“ – diese Zusage seiner Liebe endet nicht an der Schwelle des Todes. Die innige Beziehung führt zum Leben, zum ewigen Leben im Licht Gottes. Die Verklärung ist ein „Vor-Schein“ der Auferstehung Jesu.

Von Ostern her wird auch deutlich: Die Jünger sollen nicht davonlaufen vor dem Kontrast zwischen Tabor und Golgatha. Beides gehört zusammen. Festhalten-Wollen und Entfliehen-Wollen gehören auch zusammen. Für beide Erfahrungen gilt die Zusage Gottes: „Du bist mein geliebter Sohn“.

An diesem Sonntag bedenken wir das Evangelium von der Verklärung Jesu und werden wie die Jünger in das Beziehungsgeschehen von Vater und Sohn hineingenommen. Unser biblisches Leitwort „Wir wissen, dass Christus, von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt“ (Röm 6,9a) erinnert an unsere Taufe. Wir sind mit Christus gestorben und auferstanden. In unserer Taufe wurden wir Schwestern und Brüder Jesu.

In dieser Zuversicht ist uns aktuell auch unser hoch verehrter Geistlicher Zeremoniar, Cfr. Prof. Dr. em. Msgr. Winfried Haunerland, ins Himmlichsche Jerusalem vorausgepilgert.

Auch uns gilt die Zusage Gottes: Du bist mein geliebtes Kind. Wir gehören zusammen. Ich – Gott – begleite deinen Weg mit meinem Segen.

Dieser Zusage zu vertrauen ist leicht in den Gipfelerlebnissen unseres Lebens; dann, wenn wir lieben können und geliebt werden, wenn wir die Weite der Landschaft wahrnehmen und Schönes erfahren und denken: „Wie es jetzt ist, soll es bleiben“.

Die Zusage, von Gott geliebt zu sein, gilt auch für die Erfahrungen von Krisen und Leiden. Jesus steigt in die Niederungen hinab. Er ist bei uns, wenn wir erleben müssen, dass Beziehungen zerbrechen. Er ist bei den Menschen, wenn körperliche Schwäche an das Krankenbett bindet. Er ist bei uns, wenn Schmerzen das Leben prägen.

Mit den Worten unseres Ordensgebets und in jeder Eucharistiefeier beten wir: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und Deine Auferstehung preisen wir, bis Du kommst in Herrlichkeit.“ Im Ordensgebet heißt es dann weiter: „Aus diesem Bekenntnis schöpfen wir die Kraft, Hoffnung und Zuversicht zu schenken, und Zeugen des ewigen Lebens zu sein.“

Vielleicht können wir an diesem Sonntag an dieser Stelle des Gebets innehalten und denken: Mit Jesus Christus sind wir geliebte Kinder Gottes.

Confrater Dr. Martin Schomaker, Domkapitular in Osnabrück

: Mosaik in der Verklärungsbasilika auf dem Berg Tabor mit der Inschrift aus Mt 17,2: et transfiguratus est ante eos („Und er wurde vor ihren Augen verklärt“)

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