„Beten, das Gerechte tun und auf Gottes Zeit warten.“

Es gibt Leid, das so groß ist, dass es uns sprachlos macht. Mit ihm konfrontiert, empfinden wir Scham vor unserer eigenen Sicherheit. Man möchte am liebsten alle Lebensäußerungen ausblenden, die nicht in die Klage über die Not, deren Zeuge wir sind, einstimmen. Und doch werden wir ahnen, dass die Klage allein den Leidtragenden nicht hilft und uns selbst in einer diffusen Dunkelheit zurücklässt. Im Blick auf zwei Jahre nach Kriegsbeginn in der Ukraine und die gegenwärtige Situation im Heiligen Land, mit dem wir besonders verbunden sind, mögen wir so empfinden.

Daher fragen wir uns: Was bringt dort Frieden? Was können wir tun? Und wo werden wir Hoffnung finden?

Trümmerstätten werden wieder aufgebaut

In diesen Tagen musste ich an einen Text aus dem Prophetenbuch Jesaja denken, in dem es heißt: Trümmerstätten werden wieder aufgebaut und Ruinen werden bewohnbar gemacht (vgl. Jes 58,12). Ein Text, den ich derzeit ganz anders und neu lese. Der Prophet spricht von einem Licht der Hoffnung in der Dunkelheit. Aber er bindet diese Tatsache an etwas sehr Konkretes. In den vorausgehenden Versen heißt es: „Wenn du der Unterdrückung bei dir ein Ende machst, auf keinen mit dem Finger zeigst und niemand verleumdest (…) dann geht im Dunkeln ein Licht auf, und deine Finsternis wird hell wie der Mittag“ (Jes 58,9b-10).

Das Volk Israel dachte in der nachexilischen Zeit, es könne Gott durch Buß- und Fasttage beeinflussen, um auch fortan des Segens Gottes gewiss zu sein. Es musste aber lernen, dass es nicht darum geht, Gott zu verändern, sondern im Volk selbst braucht es ein Umdenken im Innern des Menschen.

Auch wir sind in der Fastenzeit dazu eingeladen, uns zu besinnen und Gott neu in Blick zu nehmen. Jesaja fordert dabei vom Volk Israel ein neues Leben in der konkreten Situation des Alltags. Für uns könnte das heißen: Christsein und Dame und Ritter im Orden vom Heiligen Grab zu Jerusalem sein bedeutet, den Einsatz für den ganz konkreten Nächsten zu wagen, damit sich Gottes Heil in der Welt durchsetzen kann.

Eine Wegweisung

In einer persönlichen und auch allgemein erfahrenen Zeit der Krise hat Dietrich Bonhoeffer drei Punkte genannt, die wesentlich eine solche christliche Grundhaltung prägen, die das eben Bedachte noch etwas pointierter benennen:

Zum Tauftag seines Neffen Dietrich Wilhelm Rüdiger Bethge schreibt er aus der Tegeler Haft im Jahr 1944:

„Was Versöhnung (…) heißt, ist so schwer und so fern, dass wir kaum mehr wagen davon zu sprechen. (…) Die Sache der Christen wird eine stille und verborgene sein; aber es wird Menschen geben, die beten und das Gerechte tun und auf Gottes Zeit warten“ (Widerstand und Ergebung, S. 435-436).  

In diesen Worten ist weniger eine fertige Antwort auf die Fragen gegeben, die die konkrete Zeit aufwerfen. Aber es ist ein solidarischer Weg benannt, den es zu gehen gilt.

Beten

Wenn uns die Erfahrung der gegenwärtigen Not die Sprache verschlägt, dann gibt das Gebet die Worte. Manchmal helfen die Worte der Psalmen. Ich denke auch hier an die vielfältigen Gebetsvorschläge in unserem Ordensgebetbuch. Das Gebet bringt uns in Kommunikation mit Gott. Es öffnet uns den Himmel, und es macht den Betenden ruhiger und hoffnungsvoller. Es macht mutiger. Manchmal ändert es zuerst den Betenden selbst, so dass er die Welt ein wenig zum Guten verändern kann.

Tun des Gerechten

DasTun des Gerechten steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Gebet. Für wen ich gebetet habe, den kann ich nicht mehr vergessen. Wen ich im Gebet vor Gott gebracht habe, den stellt mir Gott zur Seite: „…besonders die Christen im Heiligen Land“ (vgl. Ordensgebet). Gott antwortet nicht magisch auf unser Beten, er nimmt vielmehr uns Betende in Anspruch.

Warten auf Gottes Zeit

Der dritte Punkt, den Bonhoeffer nennt, ist vielleicht am schwersten zu beschreiben. Und doch nennt er die alles entscheidende Voraussetzung für das Gebet und das Tun des Gerechten.

Ein grundlegender Ansatz im theologischen Denken Bonhoeffers ist seine Bezugnahme zur Menschwerdung Gottes. Im Blick auf die Not der Menschheit ist Gott bereit, aus seiner Ewigkeit in die Zeit zu kommen. Er bringt dadurch sein Für-Sein, seine Bereitschaft, dem Menschen Anteil an seiner eigenen unvergänglichen Lebensfülle zu geben, zum Ausdruck. Allein darin liegen der Grund und der Orientierungspunkt für alles Beten und menschliches Handeln: Es ist die Erfahrung der Barmherzigkeit Gottes, aus der auch wir die Kraft schöpfen, „Hoffnung und Zuversicht zu schenken“ (Ordensgebet).

Wo aus dieser Erfahrung selbst Barmherzigkeit geübt wird, so sagt es der Prophet Jesaja, ist die Hoffnung greifbar. Liegt nicht genau darin der Grund eines künftigen Friedens?

OESSH Deutsche Statthalterei

Kostenfrei
Ansehen